Sunday, January 22, 2012

Euro-Krise : Griechenland wartet auf den Schuldenschnitt


Athen wartet auf den Schuldenschnitt. Das Land ächzt unter dem rieseigen Haushaltsdefizit und dem Schuldenberg. Foto: dpa 
Athen wartet auf den Schuldenschnitt. Das Land ächzt unter dem rieseigen Haushaltsdefizit und dem Schuldenberg. - FOTO: DPA
Die griechische Wirtschaft schrumpft dramatisch. Die Verhandlungen mit den Banken um einen Schuldenschnitt ziehen sich hin. Dennoch hofft man in Athen, die Vereinbarung bis zum Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend noch unter Dach und Fach zu bringen.



Wann endlich kommt der Schuldenschnitt? Die privaten Gläubiger, die griechische Staatsanleihen im Nennwert von 206 Milliarden Euro halten, sollen auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Gestritten wird in der Schlussphase der Verhandlungen vor allem um den Zins der neuen Anleihen, die Griechenland im Tausch gegen die alten Papiere anbieten will. In Athen hofft man, die Vereinbarung bis zum Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend doch noch unter Dach und Fach zu bringen.
Am vergangenen Freitag sei eine Lösung bereits in greifbarer Nähe gewesen, ist zu hören. Die Delegationen unter Führung des griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos und des Chefs des Internationalen Bankenverbandes (IIF), Charles Dallara, hätten sich auf einen variablen Zinssatz von vier bis 4,5 Prozent geeinigt. Dagegen aber sollen Vertreter des Internationalen Währungsfonds und der EU Einspruch erhoben und weniger als vier Prozent gefordert haben.
Vom Zinskupon der neuen Anleihen hängt viel ab: er entscheidet darüber, ob Griechenland seine Schulden künftig wieder aus eigener Kraft finanzieren kann. Der IWF und die EU als Kreditgeber Griechenlands drängen deshalb auf einen möglichst niedrigen Zins, um die Schuldentragfähigkeit des Landes zu sichern. Je niedriger der Zins, desto größere Verluste müssen indes die Privatgläubiger verbuchen. Selbst wenn bis zum Treffen der Euro-Finanzminister eine Rahmenvereinbarung erzielt wird, ist damit der geplante Schuldenschnitt noch nicht in trockenen Tüchern. Sein Erfolg hängt davon ab, dass sich möglichst viele private Gläubiger an dem als „freiwillig“ deklarierten Forderungsverzicht beteiligen. Nur dann wird das Ziel erreicht, die griechischen Staatsschulden um 100 Milliarden Euro zu drücken. Je niedriger der Zins, desto unattraktiver wäre für die Privatgläubiger die Teilnahme.
Der Schuldenschnitt ist ein wesentlicher Baustein des Rettungskonzepts, das die EU-Staats- und Regierungschefs Ende Oktober verabschiedeten. Bereits im Frühjahr 2010 hatten EU und IWF ein erstes, 110 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket für Athen geschnürt. Es erwies sich aber schnell als unzureichend. Die Hoffnung, Griechenland werde schon 2012 wieder an die Finanzmärkte zurückkehren können, hat sich längst zerschlagen.
Viel schlechter als erwartet verläuft die Konjunktur. Das Land stürzt immer tiefer in die Rezession. Statt eines erwarteten Minus von drei Prozent dürfte die Wirtschaftsleistung 2011 um mindestens sechs Prozent geschrumpft sein. Und während die Regierung im Haushalt 2012 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,8 Prozent rechnet, erwarten Volkswirte einen Rückgang um sieben Prozent.
Puuuh. Charles Dallara führt in Athen die Verhandlungen für den Internationalen Bankenverband. Foto: dpa
Puuuh. Charles Dallara führt in Athen die Verhandlungen für den Internationalen Bankenverband. - FOTO: DPA
Der Absturz ist auch ein Ergebnis des strikten Sparkurses, den die griechische Regierung auf Druck der öffentlichen Geldgeber steuern muss. Seit vergangenem Freitag verhandelt die sogenannte Troika – die Delegationschefs der EU-Kommission, des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) – in Athen über neue Einschnitte. Es geht umRentenkürzungen und Lohnverzicht in der Privatwirtschaft. Damit würde allerdings die Kaufkraft weiter reduziert. Der griechische Einzelhandelsverband meldete für 2011 bereits 50.000 Insolvenzen und rechnet für dieses Jahr mit weiteren 60.000 Geschäftsaufgaben. Weil die Wirtschaft ständig schrumpft, bringen auch die Steuererhöhungen nichts mehr. Sie entziehen dem Wirtschaftskreislauf nur noch mehr Geld.
Haushaltsdefizite und Schuldenberg sind Symptome der Krise. Ihre Wurzeln liegen in der schwachen Wettbewerbsfähigkeit. Der Grund dafür sind nicht nur die seit der Euro-Einführung stark gestiegenen Lohnstückkosten. Viele verkrustete Strukturen, wie die fast 200 sogenannten „geschlossenen Berufe“, deren Ausübung strikt reglementiert ist, erinnern an die DDR. Diese Strukturen wirken auf Investoren abschreckend.

Zu den jetzt von der Troika geforderten Einschnitten gehört auch eine Flexibilisierung des Arbeits- und Tarifvertragsrechts. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist dramatisch: die Arbeitslosenquote liegt bei 18 Prozent, unter den 15- bis 24-Jährigen sogar bei 45 Prozent. Das Arbeitslosengeld von 461,50 Euro wird höchstens ein Jahr lang gezahlt, danach ist Schluss.
Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es in Griechenland nicht. Von der Arbeitslosigkeit ist es deshalb oft nur ein kleiner Schritt in die Armut oder gar Obdachlosigkeit.

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