Dilettanten sind überall zuhause - auch im Schloss Bellevue. - FOTO: REUTERS
Dass die Dilettanten von dem, was sie tun, meist nichts verstehen, weiß jeder Dilettant und hält es den anderen gern vor. „Dilettant“, reimte Paul Heyse Ende des 19. Jahrhunderts, „heißt der kuriose Mann. / Der findet sein Vergnügen daran, / Etwas zu machen, was er nicht kann.“ Dass es auch etwas gibt, das die Dilettanten sehr wohl beherrschen, wird leicht übersehen. Dabei ist genau das, die Kunst, sich und der Welt etwas vorzumachen, ihr Metier. Erfolgreiche Dilettanten sind Meister der Blendung.
In der Politik können sie es weit bringen, was nicht heißen soll, dass jeder Politiker ein gewiefter Dilettant sein muss, beileibe nicht, was aber doch manches erklären kann, so zum Beispiel, weshalb Bundeskanzlerin Angela Merkel und zwei Drittel der Deutschen lange der „festen Überzeugung“ waren, der überführte Hochstapler Karl-Theodor zu Guttenberg besäße eine besondere politische Begabung.
Der Anschein der Bedeutung, den er sich zu geben vermag, seine kultivierte Hybris, nichts sonst verbürgt den Erfolg des Dilettanten. Er ist der geborene Rosstäuscher, einer, der uns faule Kredite als sichere Geldanlage, Kitsch als Kunst und Lügen als „alternativlose“ Politik verkauft.
Wie in der Kunst ist die Ausbreitung des Dilettantismus in der Politik ein Phänomen der jüngeren Geschichte, die Folge einer ideellen Gewichtsverlagerung. Mit der Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft, ihrer bisweilen krisenüberschatteten, aber doch stetigen materiellen und konstitutionellen Festigung hat sich das sachliche Interesse an der zukunftsgestaltenden Politik zunehmend verloren, während zugleich Strukturen entstanden, die es dem Einzelnen erlauben, sich mit individueller Absicht für die Existenz des Politikers zu entscheiden. Es geht ihnen um die Rolle, in der sie sich zur Geltung bringen möchten, nicht um das Verfechten von Ideen. Diese werden nur mehr eingesetzt wie die Versatzstücke einer Theaterdekoration. Sie dekorieren die Szene und kostümieren den Mimen.
Wenn der Bundespräsident einer Zeitung den „Krieg“ androht, sollte sie sich erlauben, kritisch über seine privaten Geschäfte zu berichten, dann lässt sich das nicht mehr als Fauxpas abtun. Das potentatenhafte Gebaren offenbart den politischen Gernegroß. Es demaskiert einen Amateur, dem das Format zur Ausfüllung eines Amtes fehlt, um dessen Darstellung er sich ehrgeizig beworben hat, über drei peinliche Wahlgänge hinweg.
Längst sitzen die Politiker in der Falle, die sie sich selbst gestellt haben. Narzisstisch auf den eigenen Auftritt fixiert, haben sie den Boden fundierter Sachkenntnis unter den Füßen verloren, sind politische Gaukler geworden, denen das Volk beinahe alles zutraut, weil sie sich selbst alles zutrauen. Eben noch war Philipp Rösler Gesundheitsminister. Von Haus aus Arzt, schien er wie geschaffen für das Amt, bis er plötzlich auf den Posten des Wirtschaftsministers wechselte, nicht weil sich herausgestellt hätte, dass er dafür noch besser geeignet ist, sondern weil er zum Parteivorsitzenden gewählt worden war und das glanzlose Gesundheitsministerium dieser gewachsenen Bedeutung seiner Person nicht mehr genügt hätte. Die Frage, was ihn fachlich dafür qualifiziert haben könnte, wurde nie gestellt, nicht einmal von der Öffentlichkeit, die gelernt hat, derartige Kabinettsumbildung als eine Selbstverständlichkeit parteiinterner Karriereplanung hinzunehmen.
Auch als Bürger haben wir uns daran gewöhnt, in unseren Illusionen zu leben. Jeder Dilettant, der uns in dem Glauben bestärkt, dass die Realität vor allem unseren Wünschen entsprechen müsse, hat von Wahl zu Wahl leichteres Spiel. Weil wir es leid geworden sind, uns mit Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten die Laune zu verderben, lassen wir uns mit allen möglichen Versprechen abspeisen, solange nur die Vorstellung unserer eigenen Großartigkeit unangetastet bleibt, unsere Ansprüche rhetorisch respektiert werden.
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