Wednesday, January 4, 2012

Der Bundespräsident geht in die Offensive


  • Freunde sind Freunde, findet Wulff - wie bei jedem anderen Bürger auch. Foto: dpa

    Freunde sind Freunde, findet Wulff - wie bei jedem anderen Bürger auch. - FOTO: DPA
Es sind die wichtigsten 15 Minuten in seiner politischen Karriere. Eben noch war Christian Wulff zu klein für das große Amt des Bundespräsidenten. Doch Gejagter will er nicht bleiben.





Als sie schließlich bei der Bettwäsche angelangt sind, hat Christian Wulff seine Rolle gefunden. Es ist die Rolle eines Mannes, wie es ihn in Deutschland millionenfach gibt. Eines Ehemannes, der mit seiner Frau im Gästezimmer bei guten Freunden Ferien verbringt, mit ihnen kocht, frühstückt. Der es ganz normal findet, diese Freunde auch zu sich nach Hause einzuladen, „keine Rechnung dafür zu erheben, wenn mich die Freunde hier in Berlin besuchen“, wie er sagt. Und der auch als Politiker, als höchster Repräsentant des Landes darauf nicht verzichten will.
Der findet, dass es düsterer im Land aussehen würde, „wenn ein Politiker keine Freunde mehr haben darf“. Politiker, sagt Wulff, seien auch Menschen. Warum also soll ausgerechnet ihm dieses Recht verwehrt werden?
Es ist fast halb sechs Uhr abends an diesem Mittwoch und der Bundespräsident sitzt im Fernsehstudio der ARD im Berliner Regierungsviertel. Die Wand hinter ihm ist rot und gelb beleuchtetet, er ist blass, er hält den Kopf gesenkt. Schon zehn Minuten wird er von zwei Journalisten der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten befragt. Seine Stimme klingt bei den Antworten, die wohlformuliert sind, oft brüchig, als können sie jeden Moment versagen. Es geht um einem umstrittenen Hauskredit, seine Urlaube bei Unternehmerfreunden, zuletzt auch um Schmähungen und Drohungen, weil er die vor drei Wochen auf der Mailbox des Chefredakteurs der Bild-Zeitung hinterlassen hat.
Es sind schwere Vorwürfe, die seit Wochen auf ihn einprasseln. Christian Wulff kann seine Kritiker nicht besänftigen, obwohl er schon zwei Tage vor Heiligabend eine Erklärung vor den Kameras abgegeben hat. Der Druck ist trotzdem immer stärker geworden. Zu klein, zu anmaßend, schlicht nicht geeignet für das höchste Staatsamt in Deutschland sei er. Zurücktreten soll er, um Platz zu machen für einen anderen. Das fordern die Kommentatoren beinaher aller großen Zeitungen, das denken mittlerweile auch nicht wenige seiner politischen Freunde.
Doch dieser Bundespräsident will nicht gehen. Er will sich nicht vertreiben lassen aus dem Amt, das er so sehr gewollt hat und für das er sich selbst nach wie vor geeignet hält. Er nehme seine Aufgabe gerne wahr, sagt er, möchte „in fünf Jahren Bilanz ziehen, dass ich ein guter und erfolgreicher Bundespräsident war“.
Fünf Jahre, das ist ein atemberaubend langer Zeitraum für jemanden, den Berlin politisch für erledigt hält, aber es ist Wulffs erster Coup in den 15 Minuten, die so wichtig sind für sein Schicksal. Er will nicht weglaufen, nur weil es mal eng wird. Es ist auch das Credo seiner politischen Laufbahn. Drei Anläufe und neun Jahre brauchte er, um in Niedersachsen Ministerpräsident zu werden, drei Wahlgänge brauchte er, um Staatsoberhaupt zu werden. So einer lässt sich nicht vertreiben. Zumal er sich nichts vorwirft. „Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe“, sagt Christian Wulff, „auch wenn nicht alles richtig war.“

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