Scharfe Zunge. Stefan Niggemeier gründete 2004 Bildblog.de.- FOTO: DAPD
Am Montag dieser Woche nun brachten einige überregionale Zeitungen diese Geschichte. Plötzlich war er da, der große Knall, der aus der Affäre um Christian Wulffs Hausfinanzierung einen handfesten Skandal machte, der die Republik aufwühlt: Der Bundespräsident bedroht die Pressefreiheit! Wie Wulffs verbale Hinterlassenschaft auf Diekmanns Mailbox in die Öffentlichkeit gelangt war, fragte man sich auch beim „Spiegel“ und rief bei seinem neuen Mitarbeiter Stefan Niggemeier in Berlin an. Der arbeitete zehn Jahre lang für die Medienseite der „FAS“, ist seit Oktober Autor des „Spiegel“ und gilt als „Bild“-Spezialist. Schließlich hat Niggemeier 2004 mit seinem Kollegen Christoph Schultheis „Bildblog“ gegründet, eines der erfolgreichsten deutschsprachigen, vielfach ausgezeichneten Blogs mit monatlich über einer Million Lesern, das sich seit Jahren vor allem mit den Verfehlungen des Boulevardblatts beschäftigt.
Vom Erfolg dieses Weblogs waren die zwei Journalisten am meisten überrascht. „,Bildblog‘ hat gezeigt, wie populäre Medienkritik funktionieren kann“, sagt Niggemeier. „Ich kann mir vorstellen, dass wir an ein paar Stellen auch eine Winzigkeit bei ,Bild‘ verändert haben. Vielleicht gibt es etwas weniger besonders dreiste Manipulationen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen, und vielleicht hat auch die Einführung von Korrekturspalte und Leserbeirat etwas mit ,Bildblog‘ zu tun, dergestalt, dass ,Bild‘ etwas mehr zumindest den Eindruck einer seriösen, selbstkritischen Zeitung erwecken will.“
Zur Wulff-Affäre gibt es in diesen Tagen viele Fragen – natürlich auch an „Bild“-Kenner Niggemeier. Mit einer Antwort hat er überrascht. Niggemeier wundert sich auf seiner Website über die Klagen der Privatsender, dass sie, neben ARD und ZDF, nicht zum TV-Interview mit Christian Wulff eingeladen wurden. Wulff sei weder den „Sparkanälen“ Sat 1 und Pro 7 noch den „Rumpelsendern“ n-tv und N24 ein Interview schuldig. Und RTL zeige sicher nicht nur deshalb „so viel Müll und Quatsch“, weil der Bundespräsident nicht mit dem Sender reden will. Eine andere Frage dieser Woche lautet, warum „Bild“ die Wulff-Geschichte nicht gleich selbst gebracht hat. „Das ist für ,Bild‘ sehr komfortabel“, meint Niggemeier, „damit umging die Redaktion die Frage, ob man den Anruf veröffentlichen darf. Und nun kann sie schön am Seitenrand stehen und beobachten, wie die Dinge ihren Lauf nehmen.“ Den jahrelangen Pakt zwischen „Bild“ und Wulff findet Niggemeier von beiden Seiten unzulässig, „von ,Bild‘-Seite ist das aber das deutlich kleinere Übel, als wenn der Bundespräsident so agiert“.
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