Unter 15.000 Euro werden nur wenige up den Händler verlassen. Dafür bekommt man schon einen Polo. - FOTO: HERSTELLER
Diese Methode hat in Wolfsburg bisher stets zum Erfolg geführt: abwarten, sondieren, optimieren – und dann zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen. Seit ein paar Wochen tut es VW wieder: Mit dem up (so heißt das Auto wirklich, denn das sind mittleren Buchstaben der Bezeichnung des Vorvorgängers Lupo).
Auf 3,54 Metern Länge ist den VW-Leuten viel eingefallen, um möglichst viel einladen zu können, ohne dass das Auto aussieht wie eine Hutschachtel auf Rädern. Vorne grinst der up freundlich. Und hinten wirkt er mit seiner frechen Glasheckscheibe wie ein iPod auf Rädern. Dank sehr großem Radstand von 2,42 Metern bietet der kleinste VW zumindest für die Passagiere fast so viel Platz wie der 55 Zentimeter längere Polo.
Vier Erwachsene müssen im up keine engen Freunde sein; und 251 Liter Kofferraum (Rekord in dieser Klasse!) reichen locker für den großen Wochenendeinkauf. Der Polo fasst auch nur 29 Liter mehr. So weit so gut.
Doch offensichtlich waren die Sparvorgaben in Wolfsburg viel schärfer als die harten Auflagen aus Brüssel für die Griechen. Nach dem Entern des Innenraums folgt der Freude über das üppige Platzangebot und die erstaunlich großen und gut geformten Sitze rasch die Ernüchterung. Selbst die von uns gefahrene Topversion up white (mit 60 PS ab 13.700 Euro) kann die Spuren des Rotstifts nicht verbergen. Das Oberteil des Armaturenbretts "ziert" Billigplastik; wie auch an den Seiten. Auf der Fahrerseite gibt es nur einen Schalter für die elektrischen Fensterheber; um die Beifahrerscheibe zu öffnen, muss sich der Fahrer rüber beugen. An der Stelle des gewohnten Rändelrades sitzt eine Ratsche, mit der sich die Sitzlehne nur fummelig einstellen lässt. Das Lenkrad ist lediglich höhenverstellbar. Die nur auf dem Papier günstige Basisversion "take up" (mit 60 PS ab 9.850 Euro) besitzt nicht einmal einen Handschuhfachdeckel. Den gibt es erst im 800 Euro teureren Modell "move up".
Genug gemeckert. Der up verdient auch Lob. Etwa für seine Tresorhaftigkeit und Verarbeitungsqualität. Trotz seines Leichtgewichts von 929 Kilogramm (140 Kilogramm weniger als der etwa gleich große Vorgänger Fox) fühlt sich der Kleine wie ein Großer an. Und so fährt er sich auch – die positive Überraschung schlechthin. Dass unter der kurzen Haube ein Dreizylinder ohne schwingungsdämpfende Ausgleichswelle werkelt, hören und fühlen die Passagiere kaum. Das Wägelchen ist nämlich über die Maßen gut gedämmt. Da hat VW nicht an der falschen Stelle gespart. Besser als bei den meisten Autochen in dieser Klasse arbeiten zudem Lenkung und Federung; es gibt keinen Hoppeleffekt wie im Smart.
Der Rotstift ist erkennbar: Das Handschuhfach gibt es in der Basisversion gar nicht und das Armaturenbrett wird von billigem Hartplastik beherrscht.
Bislang ist der up nur als Dreitürer bestellbar. In der Preisliste fällt dem Kundigen auf, dass die Wolfsburger aus Kostengründen tricksen. Zwar gibt es zwei Dreizylinder-Benziner mit 60 und 75 PS. Doch handelt es sich in Wirklichkeit nur um einen einzigen Einliter-Benziner in zwei Leistungsstufen mittels anders programmiertem Steuerteil. Das schmale Drehmoment von 95 Newtonmetern ist bei beiden gleich, die Unterschiede gering: Der Stärkere ist von Null bis Tempo 100 nur 1,2 Sekunden fixer, fährt 11 km/h schneller und verbraucht 0,2 Liter mehr. Dafür verlangt VW einen Aufschlag von 600 Euro. Wir sind beide gefahren und meinen: Diesen Aufpreis kann man sich schenken. Schon der 60-PS-Dreizylinder dreht freudig hoch, lärmt über einen weiten Drehzahlbereich nicht und harmoniert gut mit dem flüssig zu schaltenden Fünfganggetriebe. Man ist stressfrei und gar nicht spaßarm unterwegs. Nur leider nicht so sparsam wie von VW versprochen. Im dichten Großstadtverkehr kamen wir auf 7,9 Liter!
Selbst die von uns vorab gefahrene Version mit Start-Stopp-System (kommt erst 2012 für etwa 300 Euro Aufpreis) genehmigte sich noch 6,8 Liter. Nur bei ruhiger Überlandfahrt waren es sehr gute 4,9 Liter Super. Gut gedacht ist das optionale Maps-and-more-System für 710 Euro Aufpreis. Dabei handelt es sich um ein Mobilnavi auf Basis des Navigon 70. Im up dockt es oben auf einer Halterung an – und ist dann mit der Bordelektronik verbunden. Schlau. So kann es auch den Verbrauch anzeigen sowie Hinweise für sparsames Fahren geben. Optimal wäre dieses System, wenn es nicht durch viele Untermenüs nerven und der Berührungsbildschirm zuverlässiger auf Eingaben reagieren würde. Das von uns gefahrene Topmodell "high up" (mit 60 PS ab 12.450 Euro) hat das "drive pack plus" (warum muss nun auch in Wolfsburg das Englische einziehen?) für 590 Euro an Bord. Das ist Topp, aber mit einem Flop. Tempomat? Gut. Parkpiepser fürs Heck? Gut. City-Notbremsfunktion? Ein Knaller. Erstmals ist so etwas in dieser Klasse zu haben. Rückt der Fahrer dem Vordermann bis Tempo 30 zu nahe auf Stoßstange und bremst der abrupt, so dass ein Unfall unvermeidbar ist, greift das mit einem Laser arbeitende System ein – und bremst automatisch bis zum Stillstand ab. Das klappt einwandfrei.
Die Schaltanzeige im Display dagegen ist ein Witz. Wer die programmiert hat, ist nie im echten dichten Stadtverkehr gefahren. Sie fordert einen so schnell zum Hochschalten auf, dass der durchzugsschwache Motor gar nicht mitkommt und die schmale Kraft im Drehzahlkeller verschwindet.
Einen durchzugsstarken Dieselmotor soll es vorerst nicht geben. Einen up zum volkstümlichen Preis leider auch nicht. Mit einem Schuss an nötigem Komfort fährt der nämlich nicht unter 15.000 Euro vom Hof des VW-Händlers. Dafür gibt’s schon einen größeren VW Polo!
No comments:
Post a Comment