Thursday, December 22, 2011

Supervirus aus dem Labor besorgt die US-Regierung

Virologen haben eine tödliche Variante des Vogelgrippevirus' gezüchtet, die möglicherweise von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Die US-Regierung will nun, das der Bauplan geheim bleibt - aus Angst vor neuem Bioterrorismus.

US-Regierung besorgt wegen Veröffentlichung ueber Vogelgrippe-Virus
Foto: dapd/DAPD
Forscher haben das Vogelgrippe-Virus mutieren lassen
In einem bisher beispiellosen Schritt hat die US-Regierung Wissenschaftler aufgefordert, ihre Forschung zum Vogelgrippevirus H5N1 nicht vollständig zu veröffentlichen. Sie befürchtet, Terroristen könnten die Informationen für die Entwicklung einer gefährlichen Biowaffe benutzen. Bei der Arbeit von Virologen aus den Niederlanden und den USA geht es um die Züchtung einer H5N1-Variante, die leicht von Säugetier zu Säugetier – also möglicherweise von Mensch zu Mensch – übertragen werden kann.
Die Forschung war sogar von offizieller amerikanischer Seite unterstützt worden: Die Nationalen Gesundheitsforschungsinstitute (NIH) in Bethesda hatten die Studien finanziert, um die Infektionsgefahr des H5N1-Virus besser einschätzen und Vorsorge treffen zu können. Die Aufforderung an die Forscher und die Magazine „Science“ und „Nature“, Teile der Arbeit nicht zu veröffentlichen, sei nicht einfach gewesen, erklärte Anthony Fauci, beim Nationalen Institut für Gesundheit zuständig für Infektionskrankheiten.
Üblich ist, dass Forscher alle Einzelheiten auf den Tisch legen, damit Kollegen die Studie wiederholen und ihr Ergebnis verifizieren können. Stattdessen schlug der Beraterausschuss für Biosicherheit im US-Gesundheitsministerium „Science“ jetzt vor, nur das Ziel der Studie zu beschreiben, nicht aber die Experimente.
Die Forscher, Ron Fouchier vom Erasmus Medical Center in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der University von Wisconsin in Madison, äußerten sich zurückhaltend. Das Erasmus Medical Center erklärte, das Team sei bereit, der Bitte der US-Regierung zu entsprechen.
Zugleich wies die Einrichtung auf die Freiheit der Wissenschaft hin. „So etwas ist noch nie vorgekommen“, kommentierte sie die Anfrage. Die University von Wisconsin äußerte sich ähnlich, verwies auf die Bedeutung, die die Forschungsergebnisse für die öffentliche Gesundheit, für den Kampf gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe hätten.
„Science“-Chefredakteur Bruce Alberts bestätigte offiziell, dass das Magazin gebeten worden sei, nur einen Teil der Forschungsarbeit zu veröffentlichen. Man habe große Bedenken, die Informationen der Öffentlichkeit vorzuenthalten, erklärte er. Zugleich betonte er, man nehme die Befürchtungen sehr ernst, dass die Daten in die falschen Hände geraten könnten.
Er rief die US-Behörden seinerseits auf, ein System zu schaffen, mit dessen Hilfe zumindest den Fachleuten die kompletten Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt werden könnten, insbesondere denen in den von der Vogelgrippe stark betroffenen Gebieten wie China oder Indonesien. Bis es eine solche Möglichkeit gebe, wolle er keine abgespeckte Version der Arbeit veröffentlichen. „Nature“-Chefredakteur Philip Campbell erklärte ebenfalls, dass die kompletten Ergebnisse der Forschung zugänglich gemacht werden müssten. Es werde derzeit diskutiert, wie dies ermöglicht werden könne.
Aller Geheimhaltung zum Trotz sind dennoch einige Details bekannt, die darauf schließen lassen, dass es sich um „Dual use“-Forschung gehandelt haben könnte, also um Arbeiten mit doppeltem Verwendungszweck. Bereits im September stellte nämlich Fouchier im Rahmen einer Konferenz auf Malta seine Ergebnisse vor. Eine Journalistin des Magazins „New Scientist“ war bei der Veranstaltung anwesend. Fouchier habe mit dem Vogelgrippeerreger H5N1 experimentiert, berichtete das Journal. Dieses Virus ist in Eurasien seit 2004 im Umlauf. Und es ist tödlich: Von den rund 565 dokumentierten Fällen seien 331 Menschen gestorben. Bislang übertrug sich der Erreger nur von Tier zu Mensch, nicht von Mensch zu Mensch. Das habe Fouchier im Experiment geändert – mit nur fünf Mutationen im Genom des Virus. In Fouchiers Versuchen steckten sich Frettchen dann über eine Tröpfcheninfektion an – so wie sich auch die Grippe, oder auch die Schweinegrippe, bei Menschen verbreitet. Fouchier hat folglich die Ausbreitungsfähigkeit des Virus gesteigert sowie die Folgen, die es anrichten könnte, verschlimmert.

GEFAHREN RECHTZEITIG KLÄREN

Das eigentliche Problem beginnt in einem früheren Stadium des Forschungsprozesses. „Was häufig fehlt und noch verstärkt werden muss, ist das Bewusstsein der Forscher. Letztendlich müssen die Gefahren vorher geklärt werden“, sagt Stefan Kaufmann, Direktor der Abteilung Immunologie am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. In Deutschland werden meist nur Studien von einer Ethikkommission unter die Lupe genommen, an denen Menschen als Forschungsobjekte teilnehmen. Auch Medizinethik-Experte Professor NorbertW. Paul von der Universität Mainz appelliert an die Forscher, vorauszudenken: „Es wäre sinnvoll, sich vor Beginn eines jeden Forschungsprojekts zu fragen, welche Auswirkungen es auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt haben könnte.“ Es sei im Interesse der Wissenschaftler, wenn sie beweisen, dass sie nicht an der Produktion, sondern an der Lösung eines Problems gearbeitet hätten.

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