Bischof Markus Dröge ist geistlicher Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. - FOTO: THILO RÜCKEIS
Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Die ermutigende Ansage der Engelbotschaft ist auch an diesem Weihnachtsfest in Gottesdiensten und Konzerten zu hören.
Wenn ich das Jahr 2011 vorüberziehen lasse, sehe ich vieles, was Furcht verbreitet. Der Amoklauf im Juli in Norwegen, bei dem über 77 Menschen getötet wurden, stellt die ideologische Verführbarkeit des Menschen und das Ausmaß schwerer psychischer Krankheit vor Augen. Ich teile die Furcht vieler Menschen um die Stabilität des Geldes, besonders dann, wenn die Altersversorgung selbst angespart wurde.
Ich hoffe, dass Europa sich fängt und sich nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft sieht, sondern sich verstärkt als solidarische Wertegemeinschaft entdeckt.
Besonders erschreckend war die bittere Erkenntnis, dass in Deutschland rechtsradikale Gruppen gut vernetzt über Jahre Anschläge planten und kaltblütig zehn Menschen ermordeten, Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft. Sie waren längst keine Fremden mehr. Sie haben hier gelebt, geliebt und gearbeitet. Sie waren unsere Nachbarn.
Hochmoderne Überwachungssysteme haben versagt. Das Ausmaß an nationalsozialistischer Verbohrtheit wurde unterschätzt. Offensichtlich werden die rechtsradikalen Mordmotive gespeist von der Angst vor dem Fremden und vom schwachen Selbstwertgefühl der Täter.
Erstaunlich sind die Ergebnisse der Untersuchung „Wie tolerant ist Berlin?“ des Meinungsforschungsinstitutes Info GmbH, die Mitte Dezember veröffentlicht wurden: Bundesweit sind 19 Prozent negativ gegen Ausländer und Migranten eingestellt; in Berlin jeder vierte Befragte. Gerade in den Bezirken, in denen weniger Migranten wohnen, ist die Ablehnung am stärksten.
Das bedeutet: Wo Begegnung tatsächlich stattfindet, werden Vorurteile abgebaut. Der dringend notwendige Kampf gegen Rechtsextremismus ist deshalb vor allem ein Kampf für bessere Bildung und verstärkte Begegnungsmöglichkeiten. Das Ideal des Grundgesetzes, das jedem Menschen die gleiche Würde zuspricht, kann nur wirklich werden, wenn auch das, was die Menschen prägt, ihre Kultur und Religion, selbstverständlicher Teil unseres Bildungssystems ist.
Von den Kirchen wird gegenwärtig vor allem Wertevermittlung erwartet. Zu Recht ist das Bewusstsein tief in der Bevölkerung verankert, dass die Werte der Solidarität, der Nächstenliebe und der Achtung der Menschenwürde in unserem Land und in Europa stark durch die christliche Tradition geprägt sind. Die Kirchen nehmen diese Herausforderung an, indem sie sich für den Religionsunterricht – nicht nur den christlichen – im öffentlichen Bildungssystem einsetzen. Sie machen sich stark für freie, auch konfessionell geprägte Schulen. Nur ein Schulsystem, das Vielfalt kennt, kann auch zur Akzeptanz der weltanschaulichen Vielfalt in der Gesellschaft beitragen.
Kontraproduktiv und wenig sachgemäß sind die Forderungen nach Trennung von Kirche und Staat in unserem Land. Denn diese Trennung gibt es längst. Dass die getrennten Systeme Religionsgemeinschaft und Staat in unserem Rechtssystem sinnvoll aufeinander bezogen und zur partnerschaftlichen Arbeit verpflichtet sind, ist ein hohes, historisch gewachsenes Gut. Wer diese Kooperationen kappen will, schadet der Wertebildung in unserer Gesellschaft.
Im Land Brandenburg ist die Evangelische Kirche stark engagiert im Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Dieses Bündnis fordert seit langem, dass die Behörden sehr viel intensiver mit den zivilgesellschaftlichen Kräften zusammenarbeiten. Statt die Veranstalter von öffentlichen „Aktionen gegen Rechts“ mit der Forderung einer sogenannten „Demokratieerklärung“ unter Generalverdacht zu stellen, muss der Informationsaustausch nicht nur zwischen den Sicherheitsbehörden selbst, sondern auch zwischen Behörden und Aktionsgruppen verbessert und institutionalisiert werden.
Fürchtet euch nicht!“ Die Weihnachtsbotschaft ist vor zweitausend Jahren nicht in einer heilen Idylle entstanden. Die römische Staatsmacht breitete ihr aufgezwungenes Verständnis von Frieden und Bürgerpflicht damals über die gesamte Welt aus. Kulturelle und religiöse Vielfalt wurde unterdrückt.
Letztlich ist Jesus von Nazareth, als Aufrührer verdächtigt, Opfer des als gerecht titulierten staatlichen Kampfes gegen den Terror geworden. In genau diese Verhältnisse verkündet der Engel die Geburt Jesu. Die Adressaten dieser Zusage waren Hirten auf dem Felde, die Benachteiligten der damaligen Gesellschaft, ohne gesellschaftliches Ansehen.
„Euch ist heute der Heiland geboren!“ Wir alle leben von dem, was wir uns nicht selbst sagen können, was uns zugesprochen sein muss. Du bist gewollt! Du bist wertvoll. Heilsame Gnade suchen wir. Und zugesagt wird uns: Frieden auf Erden.
Bischof Markus Dröge ist seit dem Jahr 2009 geistlicher Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
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