Monday, December 26, 2011

Der Fußball als Ort der Wunder


Seinen ersten Kontakt mit Union hatte er beim Kirchentag 1987, auch der fand damals statt im Stadion An der Alten Försterei. Schon damals sei ihm der Klub aus Köpenick sympathisch gewesen. Foto: dpa
Seinen ersten Kontakt mit Union hatte er beim Kirchentag 1987, auch der fand damals statt im Stadion An der Alten Försterei. Schon damals sei ihm der Klub aus Köpenick sympathisch... - FOTO: DPA
Das Stadion an der Alten Försterei wurde zur Adventszeit in eine öffentliche Bedürfnisanstalt umfunktioniert. Unser Kolumnist Frank Willmann fragt sich deshalb, ob die Selbstreinigung des Weihnachtsfestes womöglich aus der Gemeinschaft der Fußballfans kommen kann?



Der Fußball ist vielen Menschen Religion. Dieser Umstand wird in zahllosen Fußballliedern besungen und ist als Statement Standard in den Kurven dieser Welt. Immer wenn die Weihnachtszeit naht, geht durch viele Erdenbürger ein merkwürdiger Schub. Sie stellen sich die Sinnfrage. Naturgemäß fällt es uns schwer, große Lebensfragen einfach zu beantworten. Wir gehen am liebsten den Pfad der Kompromisse. Dennoch sehnen sich viele Menschen gerade um die Weihnachtszeit nach einer großen, allumfassenden Idee, die ihnen Stütze im Leben ist.
Vor fast zehn Jahren hatten einige besinnliche Köpenicker Fußballfreunde eine solche Idee.
Lasst uns ins Stadion unserer Herzen gehen, dort Weihnachtslieder singen und einer Weihnachtsgeschichte lauschen. Eine Weihnachtsgeschichte, die von einem pensionierten evangelischen Pfarrer vorgelesen wird! Beim ersten Mal erlebten das nicht einmal hundert rotweiße Union-Fans. Inzwischen sprengt die Zahl der Andächtigen beinahe die Stadionkapazität. Der Bedarf nach einem gemeinschaftlichen Weihnachtserlebnis ist unter Union-Fans riesig.
Das Stadion wurde also zur Weihnachtszeit in eine öffentliche Bedürfnisanstalt umfunktioniert. Der aktuelle Papst, der Katholiken oberster Ansager, forderte seine Schäfchen am 24.12. auf: "durch die glänzenden Fassaden dieser Zeit hindurchzuschauen bis zu dem Kind im Stall von Bethlehem, um so die wahre Freude und das wirkliche Licht zu erkennen".
Eine glasklare Allegorie zum freudvollen Tun der Köpenicker Fußballfreunde des 1. FC Union. Der Papst ist Union-Fan, anders kann ich mir das nicht erklären. Er muss in der Tiefe seiner Seele erkannt haben, was seit zehn Jahren immer mehr Berliner überzeugt. Nicht der schöne Mammon, die hysterische Schenkerei, die unseren Einzelhandel die Backen dick macht, ist der Sinn des Weihnachtsfestes. Es geht um einen höheren Geist. Der augenscheinlich im Fußball zu finden ist. Der Fußball als Sinnbild der Notdurft. Denn es ist blanke Not, die uns den Sinn im Fußball suchen lässt.
Indes etliche Zeitgenossen an der Existenz des Weihnachtsmannes schier verzweifeln, sich innerlich einen Platz auf einem Friedhöfe im oder wenigstens in Stadionnähe umschauen, eröffneten  sich für 18.000 sangesfreudige Union-Fans am 23. Dezember ganz andere, ja unversehrte Welten.


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