Thursday, February 28, 2013

Berlin auf dem dritten Platz nur veröffentlichen

Berlins Arbeitsmarktlage bessert sich im Ländervergleich. Im Februar waren bundesweit knapp 50.000 Menschen mehr ohne Arbeit als vor einem Jahr. Die EU beschließt eine Jobgarantie für Jugendliche.

Die Hauptstadt hat in Sachen Arbeitslosigkeit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hinter sich gelassen. Im Februar lag die Arbeitslosenquote bei 12,3 Prozent, während die beiden anderen Länder auf 13,7 und 12,6 Prozent kamen. Das teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag mit. Insgesamt waren in Berlin 217 507 Menschen ohne Stelle, das waren 1564 weniger als im Januar. Rechnet man den Einfluss der Jahreszeit heraus, gab es das dritte Minus zum Vormonat in Folge. In Brandenburg war der Trend ähnlich, wenngleich nicht ganz so stark.
„Die positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Berlin schaffen auch für den Abbau der Arbeitslosigkeit weiterhin gute Voraussetzungen“, sagte Dieter Wagon, Chef der Regionaldirektion der Arbeitsagentur.

Zugleich waren im Dezember – neuere Daten gibt es nicht – mit gut 1,2 Millionen mehr Menschen als vor einem Jahr beschäftigt. In der Hauptstadt entstehen seit geraumer Zeit schneller neue Stellen als in vielen anderen Ländern. Man habe den arbeitsmarktpolitischen Rahmen richtig gesetzt, erklärte Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD).
Auch bundesweit fielen die Arbeitsmarktdaten besser aus als für die Jahreszeit üblich. Die Zahl der Arbeitslosen legte im Februar laut BA nur leicht um 18 000 auf 3,156 Millionen zu. Unter Herausrechnung des Wintereffekts ging sie den dritten Monat in Folge zurück. „Damit hat der deutsche Arbeitsmarkt die schwache wirtschaftliche Entwicklung gut verkraftet und zeigt sich weiter robust“, sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Die Arbeitslosenquote blieb wie im Januar unverändert bei 7,4 Prozent. Den stürmischen Beschäftigungszuwachs wie im Jahr 2011 gebe es aber nicht mehr, sagte Weise.

„Der Arbeitsmarkt scheint den Konjunktureinbruch vom vorigen Herbst gut wegzustecken“, sagte Eckart Tuchtfeld von der Commerzbank. Für 2013 rechne er mit einer „leichten Aufwärtstendenz“. Schaden könnten dem Jobmarkt wohl nur noch zu hohe Lohnabschlüsse. Angesichts der jüngsten Forderungen der Gewerkschaften, etwa in der Metallbranche, sei diese Gefahr aber geringer geworden.
Wegen der hohen Jugendarbeitslosigkeit will die EU derweil jungen Menschen eine Jobgarantie geben. „Mit der Jugendgarantie haben junge Menschen eine wirkliche Chance auf eine bessere Zukunft“, begrüßte Kommissionschef José Manuel Barroso einen Beschluss der EU-Arbeitsminister. Demnach sollen alle EU-Bürger unter 25 Jahren spätestens vier Monate nach Ende ihrer Ausbildung oder nach dem Verlust ihrer Stelle ein Angebot für einen Job, eine Lehrstelle oder ein Praktikum erhalten. Ende 2012 war jeder Vierte unter 25 Jahren arbeitslos.

Chefberater für den BER Wurde auf Eis gelegt

Eigentlich soll Wilhelm Bender als Chefberater angeheuert werden, um das Projekt BER zu retten. Dass Berlin die Vertragsunterzeichnung platzen ließ, werten manche als Retourkutsche nach Brandenburgs Alleingang beim Nachtflugverbot.

Noch tobt der Streit um das Nachtflugverbot, da gibt es schon den nächsten Konflikt am Großflughafen BER. Es geht um Wilhelm Bender, der als Chefberater angeheuert werden soll. Der ehemalige Vorstandschef des Frankfurter Airports sollte am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz seinen Vertrag unterzeichnen. Der Termin aber wurde kurzfristig abgesagt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte offenbar sein Veto eingelegt, weil Berlin in die Vorbereitung des öffentlichkeitswirksamen Termins vom Bund und dem Land Brandenburg nicht einbezogen war.

Dabei ist es erst wenige Wochen her, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Wowereit und Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (beide SPD) nach einem Spitzentreffen angekündigt hatten, beim Hauptstadtflughafen „im gesamtstaatlichen Interesse“ an einem Strang zu ziehen. Stattdessen kam es zu neuen Streitigkeiten. In Berlin wird nun angeführt, dass noch Details zum Bender-Vertrag geklärt werden müssten. In Brandenburg vermutet man dagegen eine Retourkutsche Wowereits wegen Platzecks Kurswechsel beim Nachtflugverbot. Berlin und Brandenburg gingen trotz des neuen Konflikts am Donnerstag davon aus, dass Bender bei der Stange bleibt. Ein neuer Termin für die Vertragsunterzeichnung soll gefunden werden.
Mit dem Thema wird sich in Kürze der BER-Präsidialausschuss befassen, dem Platzeck, Wowereit und Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium angehören. Senatssprecher Richard Meng äußerte sich zurückhaltend zu den Turbulenzen, bestätigte aber: „Das Pressegespräch mit Herrn Bender, das Vertreter des Bundes und Brandenburgs veranlasst haben, war mit Berlin nicht abgestimmt“. Außerdem gebe es bei der Gestaltung des Vertrags mit Bender „noch offene Fragen“. Welche das sind, sagte Meng nicht. „Es ist Sache der Gremien des Flughafens, dies zu klären.“ Die Verpflichtung von Bender als Chefberater des Hauptstadt-Airports stehe für das Land Berlin aber nicht in Frage, versicherte der Senatssprecher.

Bei den strittigen Details geht es dem Vernehmen nach etwa um die Frage, ob zusätzlich zum Tageshonorar für Bender, der zwei Tage pro Woche helfen soll, noch Hotel- und Reisekosten anfallen. Von Berlin lag dafür dem Vernehmen nach kein grünes Licht vor. Im Kern verbirgt sich dahinter wohl der Grundkonflikt um das innere Kräfteverhältnis der drei Flughafen-Eigentümer, das nach dem Rücktritt Wowereits vom Aufsichtsratsvorsitz neu austariert wird. Das Land Berlin habe ein „Stopp-Signal“ setzen wollen, weil es durch die bei der Bender-Personalie erkennbare neue Allianz von Brandenburg und dem Bund ins Hintertreffen zu geraten drohte, hieß es in Flughafenkreisen. Die Nichteinbeziehung Berlins sei ein völlig überflüssiger politischer Fehler.
Das wird in Brandenburger Aufsichtsrats- und Flughafenkreisen wiederum bestritten. Dort ist man fassungslos, dass Wowereit die Vertragsunterzeichnung mit Bender platzen ließ. Platzeck, der nichts von öffentlichem Schlagabtausch hält, wollte keinen Kommentar abgeben, verwies auf „Personalinterna“. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), der im Flughafenaufsichtsrat sitzt, sagte an die Adresse Berlins: „Ich kann allen Beteiligten nur dringend raten, abzurüsten. Wir haben eine gemeinsame Aufgabe, nämlich den Flughafen endlich ans Netz zu bringen.“ Und Brandenburgs Linken-Fraktionschef Christian Görke warnte vor einer „Zäsur“: Beim Nachtflugverbot habe es aus Berlin „Polemik“ gegeben, sagte Görke: „Jetzt geht es in Obstruktion über. Dabei ist es fehl am Platze, sich beim größten Infrastrukturprojekt Deutschlands in Klein-Klein zu verlieren, eingeschnappt zu reagieren.“

Beim Bund warnt man allerdings davor, „den ausgewiesenen Fachmann“ Bender zu verprellen. Man dürfe nicht riskieren, dass Bender sich nun zurückziehe und solle nicht an Details herummäkeln. Beim Nachtflugverbot warte man darauf, was Platzeck nun konkret vorschlagen werde.
Brandenburgs SPD-Generalsekretär Klaus Ness wiederum sagte zu den neuen Spannungen zwischen beiden Ländern um den Flughafen: „Die Schließung von Tegel führt dazu, dass einhunderttausend Berliner entlastet werden. Der BER in Schönefeld führt dazu, dass hunderttausende Brandenburger belastet werden.“ Das Problembewusstsein, dass der in Brandenburg liegende Flughafen mit seinem Umfeld auskommen muss, sei in Berlin noch nicht weit ausgeprägt. „Ich gehe aber davon aus, dass sich das ändern wird.“

Die Christdemokraten als Koalitionspartner in Berlin üben sich bisher in relativ stiller Solidarität zu Wowereit. Öffentlich äußerte sich bislang nur CDU-Fraktionschef Florian Graf, der den Rücktritt Platzecks als Aufsichtsratschef forderte.

Familiendrama über Cole und seine Söhne noch



Peter Kohl gibt in einer Neuauflage seines Buches über die tote Mutter ein brisantes Geheimnis preis: Die Beziehung seines Vaters zu Maike Richter begann schon Mitte der 90er Jahre. Angeblich kontrolliert Kohls neue Ehefrau streng, wer zu ihm darf. Die Söhne dürfen es nicht.

Der letzte Wunsch, den Hannelore Kohl an ihre Familie hatte, umfasste nur zwei Worte: „Vertragt euch!“ Er sollte nicht in Erfüllung gehen. Das ist Teil einer großen Familientragödie, die sich um den Alt- und Einheitskanzler Helmut Kohl abspielt. Nun wird wieder Öl in dieses Feuer gegossen. Hintergrund ist die Erweiterung eines Buchs, das Peter Kohl im Jahr 2002 zusammen mit der Journalistin Dona Kujacinski über seine Mutter schrieb. Am 7. März wäre Hannelore Kohl, die im Juli 2001 freiwillig aus dem Leben schied, 80 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass gibt es eine Neuauflage mit einem brisanten 27 Seiten langen Vorwort. Darin beschreibt Kohls jüngerer Sohn, wie sein Bruder Walter beim 75. Geburtstag des Vaters ein belastendes Geheimnis erfuhr.
Ein Vertrauter seines Vaters habe den Beginn von dessen Beziehung zu seiner jetzigen Ehefrau Maike Kohl-Richter auf die zweite Hälfte der Neunzigerjahre datiert.

Wie zerrüttet die Familie inzwischen ist, verriet Peter Kohl unter anderem in einem Interview mit der Zeitschrift „Bunte“. Nach der Hochzeit seien die Kontakte zu seinem Vater „durch Frau Dr. Kohl-Richter immer mehr erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht“ worden, sagt er darin. Die Kontaktsperre beziehe sich auch auf seine Frau und Tochter. Sein Bruder Walter und er ergänzten und vertrügen sich, arbeiteten sehr eng zusammen. Beide wollen auch den Geburtstag der Mutter gemeinsam begehen. Sie müssen es aber wohl ohne den Vater tun. Von einer Kontaktsperre ist die Rede, davon, dass die neue Ehefrau des Vaters bestimmen kann, wer mit ihm telefoniert, wer zu Besuch kommt und welche Schriftstücke vorgelegt werden. Laut einem Anwaltsbrief dürften die Söhne E-Mails an den Vater nicht mehr an sein Büro schicken. Eine andere funktionierende Mail-Adresse gebe es aber nicht. Den Zugang zum Vater regle die Polizei offenbar laut einer Liste, auf der die Söhne wohl nicht aufgeführt seien. Schon beim zehnten Todestag der Mutter hätte ihnen vor dem Elternhaus die Verhaftung gedroht. Auch dass die Wohnung von Maike Richter wie ein privates Helmut-Kohl-Museum eingerichtet gewesen sei, dass die neue Ehefrau Kleider und Schmuck der Vorgängerin trage, kommt in dem Bunte-Interview zur Sprache.

Die Familie sei 40 Jahre Weihnachten immer zusammen gewesen. Im Jahr 2004 brach Helmut Kohl aus und fuhr mit Maike Richter nach Sri Lanka.

Monday, February 25, 2013

Durchsuchen auf dem Flughafen Tempelhof



Wo ehemals Flugzeuge gestartet sind, könnten vielleicht eines Tages die Wellenreiter unterwegs sein - jedenfalls wenn es nach dem Wunsch zweier Surfaktivisten geht. Doch wie realistisch sind die Pläne?

Einen Badesee haben sich die Anwohner des Tempelhofer Parks schon vor Jahren gewünscht, nun sollen sie sogar ein Mehrzweckbecken mit Wellenbetrieb bekommen, größer als zwei Fußballfelder. Dieses Projekt befindet sich aber noch in der Ideenphase und existiert bisher vor allem in den Köpfen von zwei Surfaktivisten: Arnd Wiener, Nationaltrainer des Wellenreitverbandes aus Potsdam, und Sportvermarkter Falko Nadol aus Berlin.
Wiener und Nadol haben das Tempelhofer Feld als idealen Standort zum Wellenreiten identifiziert, als Ergänzung zum Windsurfen, das schon jetzt auf den ehemaligen Landebahnen praktiziert wird.
In dem Wellenbecken, genannt „Wavegarden“, kann auf Knopfdruck eine passgenaue Welle erzeugt werden, von klein für Anfänger bis mindestens hüfthoch für Profis. Das Referenzbecken steht in den Bergen von San Sebastian im spanischen Baskenland. Berliner bräuchten nicht mehr den langen Weg nach Sylt anzutreten, um endlich eine Welle zu reiten. Geschätztes Investvolumen: vier Millionen Euro. Der Eintritt würde zwischen zehn und 20 Euro liegen. Wiener könnte sich auch ein neues Schulsportwahlfach Wellenreiten vorstellen.

Problem ist nur, dass ein Wellenbecken bisher so gar nicht in die Planung für den künftigen Tempelhofer Park passt. Martin Pallgen von der Tempelhof Projekt GmbH formuliert noch höflich, er wolle nichts ausschließen, aber das geplante Regenwasserauffangbecken könne wohl nur schwer zum Surfsee erweitert werden. Daniela Augenstein, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), wird schon deutlicher: „Das Auffangbecken ist nicht geeignet.“ Es sei auch nicht geplant, dort eine öffentliche Badeanstalt einzurichten. Nur einen Wasserspielplatz für Kinder.

Also kein Badesee und kein Wellenbecken. Nach derzeitigem Stand der Dinge. Das Regenwasserbecken soll eigentlich nur Geld sparen, eine halbe Million Euro im Jahr. Diese Summe muss die Tempelhof-Projekt GmbH für die Entwässerung der versiegelten Flächen an die Wasserbetriebe zahlen. Das Auffangbecken - vier Hektar groß, bis zu fünf Meter tief, Baukosten: acht Millionen Euro - würde sich also nach 16 Jahren amortisiert haben. Der gestalterische und psychologische Wert eines künstlichen Sees mit Schilfufer und „Stufenzone“ als Zugang fürs kühlende Fußbad ist da noch nicht eingerechnet.

Saturday, February 23, 2013

Bavaria Allianz setzt im Streit um Studiengebühren

Monatelang hatten CSU und FDP in Bayern gestritten. Nun steht der Kompromiss: Die FDP erlaubt der CSU, im Landtag für die Abschaffung der Studiengebühren zu stimmen. Eine letzte Hürde gibt es dennoch.

Die schwarz-gelbe Koalition in Bayern hat ihren monatelangen Streit über das Aus für die Studiengebühren endgültig beigelegt. Der Kompromiss sieht vor, dass die Gebühren mit Wirkung zum Wintersemester per Landtagsbeschluss abgeschafft werden können - was die FDP bisher abgelehnt hatte.
Den Hochschulen werden die wegbrechenden Einnahmen aber im Gegenzug vollständig aus dem Haushalt erstattet, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Samstag nach einem mehrstündigen Spitzentreffen in der Staatskanzlei berichteten.

Außerdem gibt es zusätzliches Geld für die frühkindliche und die berufliche Bildung, und es wird zusätzliches Geld in die Schuldentilgung gesteckt - 480 Millionen Euro mehr als geplant.
Eine Hürde gibt es aber noch: Der FDP-Parteitag Anfang März muss den Kompromiss noch billigen. Leutheusser-Schnarrenberger gab sich aber sehr zuversichtlich, dass die Basis den Kompromiss mitträgt. Die CSU hatte im vergangenen Herbst eine 180-Grade-Wende vollzogen und seither vehement für die schnellstmögliche Abschaffung der Studiengebühren gekämpft. Diese sind eigentlich im Koalitionsvertrag mit der FDP festgeschrieben. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die Abstimmung im Landtag freigegeben wird. Damit kann die CSU im Parlament unabhängig von der FDP für die sofortige Abschaffung der Gebühren stimmen, ohne dass der Bruch der Koalition droht. Bislang hatte die FDP eine schnelle Abschaffung im Landtag abgelehnt - auch nach einem erfolgreichen Volksbegehren gegen die Gebühren, mit dem die bayerische Bevölkerung einen Volksentscheid erzwungen hatte.
Diesen will die CSU mit dem Landtagsbeschluss aber vermeiden.
219 Millionen Euro werden im Doppelhaushalt 2013/14 insgesamt benötigt, um den Hochschulen die wegbrechenden Studiengebühren von Oktober an und im kommenden Jahr zu erstatten. 150 Millionen Euro gibt es für die frühkindliche Bildung. Damit sollen unter anderem die durchschnittlichen Kindergartengebühren im zweiten Kindergartenjahr um 50 Prozent oder 50 Euro gesenkt werden - von September 2014 an.
In die Schuldentilgung fließt in diesem Jahr eine Milliarde Euro - bislang geplant waren 520 Millionen Euro. Dieses Geld soll aus den Rücklagen des Freistaats entnommen werden, das für das Bildungspaket aus zusätzlichen Steuereinnahmen. Unabhängig davon will die Koalition im Haushaltsvollzug 200 Millionen einsparen.
Leutheusser-Schnarrenberger sagte, der FDP komme es nun darauf an, die Handlungsfähigkeit der Staatsregierung deutlich zu machen. Seehofer betonte, er sei mit dem Kompromiss sehr zufrieden. (dpa)

Monday, February 18, 2013

Die Bundesregierung will an bis zu 330 Soldaten nach Mali

Ausbilder, Sanitäter und fliegende Tankstellen: Das Kabinett will am Dienstag zwei Mali-Mandate beschließen. Deutschland könnte dann bis zu 330 Bundeswehrsoldaten nach Westafrika schicken.

Deutschland will sich mit bis zu 330 Soldaten an der Krisenbewältigung im westafrikanischen Mali beteiligen. Das sehen die Entwürfe für die beiden Bundestagsmandate vor, über die das Kabinett an diesem Dienstag entscheiden wird. Für die geplante EU-Ausbildungsmission will die Bundesregierung bis zu 180 Soldaten bereitstellen. 150 weitere Soldaten sind für den Einsatz von Transport- und Tankflugzeugen vorgesehen, mit denen die laufende französisch-afrikanischen Offensive gegen islamistische Rebellen unterstützt werden soll. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen.
Ein Kampfeinsatz deutscher Soldaten bleibt weiter tabu.
Die EU-Außenminister hatten sich am Montag darauf verständigt insgesamt 450 Militärausbilder und andere Soldaten nach Mali zu schicken. Sie sollen die Armee des westafrikanischen Landes beraten und für einen möglichen Einsatz gegen islamistische Extremisten ausbilden. Deutschland wird sich daran voraussichtlich zunächst mit 40 Spezialisten für die Pionier-Ausbildung sowie 40 Ärzten und Sanitätern beteiligen, die ein Feldlazarett betreiben sollen. Dass die im Mandat festgesetzte Zahl deutlich höher liegt, ist nicht ungewöhnlich. Damit wird Spielraum für eine mögliche Veränderung der Lage vor Ort geschaffen.
Mit einem zweiten Mandat soll die Unterstützung des laufenden französisch-afrikanischen Kampfeinsatzes gegen die islamistischen Rebellen im Norden Malis abgedeckt werden. Bereits seit Mitte Januar bringen deutsche Transportmaschinen vom Typ Transall afrikanische und französische Soldaten ins Land. In der senegalesischen Hauptstadt Dakar wurde eigens dafür ein Stützpunkt eingerichtet. Insgesamt sind derzeit 71 deutsche Soldaten und drei Transall-Maschinen im Einsatz. Auf 78 Flügen haben sie inzwischen fast 500 Soldaten transportiert.
Hinzu kommen soll die Hilfe für die Betankung französischer Kampfflieger. Die Luftwaffe verfügt über vier speziell dafür ausgestattete Maschinen vom Typ Airbus A310. Der Bundestag soll bereits an diesem Freitag erstmals über die beiden Mandate beraten.


Rund 20 EU-Mitgliedstaaten haben bereits ihre Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission zugesagt. Einige davon müssen jedoch noch über Details entscheiden. Der Einsatz ist zunächst auf 15 Monate angelegt, wird aber nach Einschätzung von Militärs länger dauern. Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, der französische General Patrick de Rousiers, sprach von einer schwierigen Mission. „Es ist auch nicht ungefährlich. Aber es ist aufregend, weil dieser Einsatz helfen wird, den Frieden wieder herzustellen.“

Ungefähr 70 Mitarbeiter der Ausbildungsmission halten sich bereits in Mali auf, um den Einsatz vorzubereiten. Ende Februar sollen es mindestens 100 sein, bis Mitte März soll sich die Zahl der Einsatzkräfte verdoppeln. Anfang April werden die Ausbilder mit dem Training der malischen Armee beginnen. (dpa)

Lieber in ihren Sitzen bleiben bis



Niedersachsen will das Sitzenbleiben in der Schule abschaffen. Konservative Politiker sind entsetzt. Pädagogen plädieren dagegen für individuelle Hilfe für leistungsschwache Schüler. Die Rezepte dafür liegen bereits auf dem Tisch.

In Niedersachsen sollen Schülerinnen und Schüler mittelfristig nicht mehr sitzenbleiben. Dieses Ziel der neuen rot-grünen Regierung löst jetzt eine kontroverse Debatte aus, wie mit leistungsschwachen Schülern umgegangen werden soll. Während Erziehungswissenschaftler und andere sozialdemokratische geführte Länder den Plan unterstützen, kritisieren ihn zumal Konservative scharf.
So sprach der bayrische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) von „blankem Unsinn“ und „pädagogischem Populismus“: „Man entkleidet sich ohne Not eines pädagogischen Instruments, das den Schülern die Möglichkeit bietet, Versäumtes nachzuarbeiten“, sagte Spaenle.
Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, erklärte, Schulabschlüsse würden zu ungedeckten Schecks: „Da kann man gleich eine Abitur-Vollkasko-Garantie anbieten.“ Ähnlich denken auch Patrick Meinhardt, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, und Jürgen Böhm, der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR).
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), begrüßte die Reform dagegen. Die Wissenschaft sei zum größten Teil der Auffassung, dass das Sitzenbleiben nichts bringe, sagte Dorgerloh: „Wir brauchen mehr individuelle Förderung“. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) bezeichnete Sitzenbleiben als „längst nicht mehr zeitgemäß“.
Bundesweit wiederholen derzeit pro Jahr etwa zwei Prozent aller Schülerinnen und Schüler eine Klasse. Das klingt zunächst wenig. Doch blickt man auf die Zahlen im Laufe der Schullaufbahn, sieht das Bild anders aus. So ergab die Pisa-Studie von 2009, dass unter allen Fünfzehnjährigen in Deutschland jeder fünfte mindestens einmal sitzengeblieben ist, der internationale Schnitt lag bei 13 Prozent. In den deutschen Ländern ist die Quote unterschiedlich hoch, in Bayern etwa doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg. Bundesweit ist sie aber rückläufig. Noch im Schuljahr 2007/2008 blieben 225000 Schüler sitzen, im vergangenen Schuljahr noch 160 000 Schüler, was die Länder zusammen 800 Millionen Euro kostet.
Unter Politikern, Lehrern und Eltern mag der Sinn des Sitzenbleibens umstritten sein. Doch die meisten Erziehungswissenschaftler denken so wie Hans Brügelmann: „Sitzenbleiben ist ein nicht-effektives Instrument mit negativen Nebenwirkungen“, sagt der emeritierter Professor für Grundschulpädagogik der Universität Siegen, der sich beim Grundschulverband engagiert. Schon allein, weil die meisten Schüler nur in Teilbereichen Schwächen zeigten, sei es „Unfug“, sie den gesamten Stoff wiederholen zu lassen. Viele Schüler, die sitzenbleiben, würden auch danach „weiter durchrutschen“. Oft seien die Arbeitshaltung oder die eigene Organisationsunfähigkeit Ursachen schwacher Leistungen, was anders als durchs Sitzenbleiben angegangen werden müsse. Auch Studien wie Pisa zeigen, dass die Sitzenbleiber nach zwei Jahren oft wieder schwächeln und dass Länder wie Finnland oder Südkorea, in denen es statt des Sitzenbleibens individuelle Fördermaßnahmen gibt, einen geringeren Prozentsatz schwacher Schüler vorweisen können. Die OECD spricht sich dann auch gegen das Sitzenbleiben aus.

Statt einer Selektion am Ende eines Schuljahrs plädiert Brügelmann darum für eine „Förderung innerhalb der Lerngruppe“, etwa durch individuelle Betreuung während des normalen Unterrichts, durch zusätzliche Förderstunden am Nachmittag oder durch betreute Kurse in den Ferien. „Den Anspruch individueller Förderung erfüllen aber viele Länder noch nicht gut genug“, sagt Brügelmann. Die Finanzminister seien gefragt, das nicht zum „Sparmodell“ zu machen.
Die Niedersachsen sind deswegen nicht die ersten, die auf das Sitzenbleiben verzichten wollen. In Berlin etwa können nur noch Gymnasiasten sitzenbleiben, Grundschüler nur in Ausnahmefällen. In Bremen ist Sitzenbleiben in den Klassen 1 bis 8 abgeschafft, in Hamburg sogar bis zur 9. Klasse. In Hamburg soll das bis 2017 für alle Klassen gelten. Schüler, die die Note Fünf in einem Kernfach haben, müssen dort an den Schulen verpflichtend Nachhilfe nehmen. Das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz will in einem Modellversuch den Verzicht aufs Sitzenbleiben testen. In der kürzlich von Grün-Rot in Baden-Württemberg eingeführten Gemeinschaftsschule können die Kinder schon heute nicht mehr durchfallen. Das wolle er Schritt für Schritt auch an den anderen Schulen durchsetzen, kündigte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) jetzt an.

Die designierte niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) verweist auf die guten Erfahrungen, die man mit dem Verzicht aufs Durchfallen an integrierten Gesamtschulen gemacht habe: „Wir haben an den Schulen die niedrigste Schulabbrecher-Quote überhaupt“. (mit dpa)

Senat uneins über Beamtengehälter

Die Besoldung der Beamten in Beröom soll erhöht werden. Die Frage ist aber, wie schnell dies geschehen kann. Bei der Klausurtagung in Britz gab es lange Diskussionen über einen Vorschlag des Finanzsenators

Der Senat ist sich offenbar nicht einig, wie schnell die Gehälter der Beamten in den nächsten Jahren steigen sollen. „Wir sind noch im Gespräch über die Besoldung“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) während einer Klausurtagung des Senats in Britz. Die kontroverse Diskussion über dieses Thema zog sich am Montag unerwartet lange hin. Ein Vorschlag des Finanzsenators Ulrich Nußbaum (parteilos), mit dem Henkel wohl nicht einverstanden war, soll nun überarbeitet werden.
Zahlen wurden nicht genannt.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) plädierte für „finanziell ausgewogene“ Einkommenserhöhungen in der Verwaltung. Die Beschäftigten im Landesdienst hätten in der Vergangenheit große Sparbeiträge geleistet. „Aber Korrekturen sind nicht von heute auf morgen möglich.“ Derzeit verdienen die Beamten etwa sieben Prozent weniger als ihre Kollegen in anderen Bundesländern. Bei den Angestellten beträgt der Rückstand nur noch drei Prozent. Schon 2010 wurde mit den Gewerkschaften ein Stufenplan vereinbart, der den Senat verpflichtet, die Gehälter der Angestellten bis Ende 2017 anzugleichen.
Der Deutsche Beamtenbund hatte vor der Senatsklausur Druck gemacht und eine „zeitgemäße Personalentwicklung und einen Schutz der Tarifbeschäftigten und Beamten vor arbeitsmäßiger Überforderung und dienstrechtlichen Einschnitten“ gefordert. Außerdem müsse der Senat seine bisherige Haltung aufgeben, dass über Besoldungs- und Versorgungsanpassungen jeweils nur für eine Haushaltsperiode von zwei Jahren entschieden werde. Auch die Beamten bräuchten eine Perspektive zur Verringerung des Besoldungsrückstands bis 2017.
Der öffentliche Dienst müsse leistungsfähig bleiben, forderte Senator Henkel. Neben der Besoldung gehe es um attraktive und familienfreundliche Arbeitsbedingungen, einschließlich der Tele-Arbeit. Die Ausbildung von Nachwuchskräften, aber auch die Qualifizierung von Führungskräften sei ein wichtiges Thema. Hintergrund dieser Bemühungen ist die Überalterung der Berliner Verwaltung. Die meisten Mitarbeiter sind zwischen 45 und 55 Jahre alt. In den nächsten fünf Jahren gehen rund 30 000 Beamte und Angestellte in den Ruhestand.

Obwohl diese Entwicklung lange bekannt ist, „sind seit 1999 viel zu wenige neue junge Dienstkräfte eingestellt worden“, kritisiert der Hauptpersonalrat im Berliner Landesdienst. Die Überalterung des Personals habe zum hohen Krankenstand in den Behörden maßgeblich beigetragen. Die Krankenquote liegt bei über zehn Prozent. „Es muss dringend eine Vertretungsreserve bereitgestellt werden“, fordert der Hauptpersonalrat. Für den neuen Landeshaushalt 2014/15 will der Senat den konkreten Ausbildungs- und Einstellungsbedarf jeder einzelnen Senats- und Bezirksbehörde ermitteln. Das Ziel: Ab 2018 soll der öffentliche Dienst dauerhaft über 100 000 Vollzeitstellen verfügen.

Alle diese Maßnahmen kosten viel Geld. Mittelfristig geht es um dreistellige Millionenbeträge. Trotzdem ist sich der Senat einig, dass die öffentlichen Ausgaben auch künftig um höchstens ein Prozent jährlich wachsen dürfen. Im längerfristigen Durchschnitt nur um 0,3 Prozent. „Das erfordert absolute Haushaltsdisziplin“, sagte Wowereit. Ebenso wichtig sei eine Stärkung der Finanzkraft der Stadt, die bis 2030 um rund 250 000 Menschen wachsen wird. Im Etat 2014 rechnet der Regierungschef mit einem kleinen Defizit, 2015 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Obwohl die Fördermittel der EU, 2007 bis 2013 rund 1,2 Milliarden Euro, in der Förderperiode 2014 bis 2020 um ein Drittel zurückgehen werden. Auch das war ein Thema der Klausur. „Wir müssen deshalb Prioritäten setzen, zugunsten von Projekten für die wachsende Stadt“, kündigte Wowereit an. Über die Folgen des starken Bevölkerungswachstums in Berlin wollte der Senat am späten Abend beraten.

Saturday, February 16, 2013

Bremsen FDP von Angela Merkel

Während die Kanzlerin bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer aufs Tempo drückt, steigt ihr Koalitionspartner auf die Bremse. Die FDP verlangte Verbesserungen am EU-Konzept mit dem Einwand, dass der Kleinsparer am Ende nicht die Zechen zahlen dürfe.

Berlin - Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer aufs Tempo drückt, steigt ihr Koalitionspartner auf die Bremse. Die FDP verlangte am Sonnabend Verbesserungen am EU-Konzept für die neue Steuer. „Wenn am Ende Kleinsparer mit ihrem Altersvermögen die Zeche zahlen, ist niemandem gedient“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring dem Tagesspiegel. Er fügte hinzu; „Das werden auch unsere Partner in Europa so sehen.“
Die Liberalen hatten im Juni vergangenen Jahres nach langem Widerstand einem Entschließungsantrag des Bundestages zur Einführung der Transaktionssteuer zugestimmt. „Wir Liberale wollen die Finanzwirtschaft an den Kosten der Krise beteiligen“, versicherte Döring nun.
Zugleich pochte er darauf, die Kriterien einzuhalten, die der Bundestag „mit großer Mehrheit und Beteiligung von SPD und Grünen “ festgelegt habe. Ihre Zustimmung hatte die FDP davon abhängig gemacht, dass die Kosten der neuen Steuer nicht auf Sparer abgewälzt und die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft nicht belastet werde.
Merkel sprach sich für einen raschen Start der Steuer aus. Die Regierung werde alles daransetzen, „dass die Beratungen zur Einführung dieser Finanztransaktionssteuer zügig ablaufen“, sagte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Diejenigen, die die Krise verursacht hätten, müssten einen Beitrag dazu leisten, Krisenfolgen zu beheben.
Deutschland und zehn weitere EU-Länder wollen die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte einführen. Die EU-Kommission hatte dazu jüngst Vorschläge gemacht. Danach soll der Handel mit Aktien, Anleihen und Fondsanteilen mit 0,1 Prozent des Verkaufspreises belastet werden. Bei Termingeschäften sollen 0,01 Prozent fällig werden.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte Merkel auf, „dem Treiben ihres kleinen Koalitionspartners Einhalt zu gebieten“. Die FDP beweise „ein weiteres Mal, dass sie nicht zu einer klugen und verlässlichen Politik in der Lage ist“, sagte sie dieser Zeitung. Statt alle Kräfte zur Überwindung der Finanzkrise zu bündeln und die Finanztransaktionssteuer voranzutreiben, werde sie „wortbrüchig“.
Die Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) hat sich derweil klar gegen Wechselkursziele ausgesprochen. Bei ihrem Treffen in Moskau vertagten die G20 zudem die Entscheidung über eine Schuldenbremse. Damit signalisierten die Finanzminister und Notenbank-Chefs, dass sie kurzfristig der Wachstumsförderung Vorrang geben wollen vor Maßnahmen zum Abbau der Staatsdefizite. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte aber, Deutschland habe seine Linie beim Thema Schuldenabbau komplett durchsetzen können. Die G-20-Länder hätten sich eindeutig zu den „Toronto-Zielen“ zur Defizithalbierung bis 2013 und Schuldenbegrenzung bis 2016 bekannt. Dem hätten auch die USA nicht widersprochen. Zudem einigten sich die G-20-Vertreter darauf, gegen Strukturen zur Umgehung von Steuerpflichten durch internationale Großkonzerne vorzugehen. mit dpa/rtr/AFP

Riots in Pilotprojekten in Kreuzberg verlassen

In Kreuzberg und Mitte brennen Barrikaden, Steine fliegen und Anwohner sind wegen tief fliegender Hubschrauber in Sorge: Die linksextreme Szene hat wegen des nahenden Europäischen Polizeikongresses zu Demonstrationen aufgerufen. Schon tagsüber protestierten Linke gegen Rechte.

Am Abend standen die ersten Barrikaden in Flammen und Steine flogen: In der Nacht zum kommenden Sonntag kam es, wie erwartet, bei nicht angemeldeten Demonstrationszügen an der Bezirksgrenze von Kreuzberg zu Mitte zu Ausschreitungen.
Es flogen auch Steine auf zwei Sparkassen-Filialen. Wie von der Polizei zu erfahren war, standen viele Berliner mit Migrationshintergrund kopfschüttelnd vor ihren Autos, deren Fenster eingeschlagen worden waren. Handwerker kommen am Montag nicht mit ihren Wagen zur Arbeit– auch ihre Autos wurden getroffen. Am Mariannenplatz müssen BVG-Fahrgäste jetzt in der zugigen Kälte warten – die Scheiben des Wartehäuschens sind zerstört.
Laut Polizeipressesprecher Stefan Redlich waren rund 600 Demonstranten unterwegs und rund 1000 Beamte im Einsatz. Die Demos von Linken und Krawallwütigen waren gegen 22.30 Uhr aufgelöst, und die Polizei fuhr nachts Streife.
Zu den Demos hatten Linksextreme anlässlich des Europäischen Polizeikongresses am 19. und 20. Februar im Berliner Congress Center am Alexanderplatz aufgerufen. Am Abend waren auch Anwohner, etwa am Legiendamm, in Sorge: Hubschrauber kreisten so tief, dass einige vermuteten, „ein Flugzeug käme runter“. In den Wohnungen dröhnte es, bei Telefonaten hörte man die Rotoren, da drehte der Polizeihelikopter überm Engelbecken eine Runde. In den Nebenstraßen suchten Autofahrer angesichts der Absperrungen nach Alternativstrecken. Derweil dokumentierten Linke ihre Taten auf ihren Internetseiten von „Indymedia“.
Am Sonnabend hatten tagsüber bereits 300 Menschen am U-Bahnhof Lipschitzallee gegen eine Veranstaltung der NPD im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt protestiert.   Dort diskutierten, so formulierte es die NPD, 60 Rechte über „Asylmissbrauch“. Es gab Rangeleien zwischen Linken und Rechten, die Polizei trennte sie. Festnahmen gab  es keine. Am Protest gegen die NPD beteiligten sich einige Aktivistinnen der Frauenrechtsgruppe „Femen“, die sich etwa „Kein Asyl für Nazis“ auf die Brüste gemalt hatten. Sie wurden abgeführt – weil sie Absperrungen überwunden hatten.

Mit Künast an der Spitze der allgemeinen Wahlen

Fraktionschefin Renate Künast soll die Landesliste der Berliner Grünen bei der Bundestagswahl anführen. Dafür stimmte die Landesmitgliederversammlung. Einen kleinen Dämpfer bekam die 55-Jährige aber dennoch

Es sieht derzeit gut aus für die Grünen, in Umfragen liegen sie bei rund 21 Prozent. Dennoch warnt Landeschef Daniel Wesener vor überzogenen Erwartungen: Das Ziel ist es, mindestens fünf Mandate zu holen. Im Jahr 2009 waren es vier Mandate und 17,4 Prozent.
Am Sonnabend entschied erst die Mitgliederversammlung und später die Landesdelegiertenversammlung, mit Renate Künast an der Spitze bei der Bundestagswahl anzutreten. Der verpatzte Wahlkampf bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 und die gescheiterten Regierungsträume sind vergessen. Einen kleinen Dämpfer bekam die 55-Jährige aber doch: 73,9 Prozent erhielt sie von den Mitgliedern, kein glänzendes Ergebnis.
Immerhin: Die Delegierten bestätigten Künast mit 91,5 Prozent
Als zentrales Wahlkampfthema nannte sie die Energiewende. Kämpfen musste Özcan Mutlu. Erst im dritten Wahlgang konnte sich der langjährige Bildungsexperte im Abgeordnetenhaus den zweiten Listenplatz sichern. Lisa Paus hingegen, die seit 2009 als Steuerexpertin im Bundestag sitzt, war bei ihrer Nominierung für Platz drei ganz souverän und holte das beste Ergebnis.
Den immer noch aussichtsreichen vierten Listenplatz belegt der Bauexperte Andreas Otto. Auf den Plätzen fünf und sechs landete Parteinachwuchs: Paula Riester aus Friedrichshain-Kreuzberg und Stefan Ziller aus Marzahn-Hellersdorf. Gar nicht erst um einen Listenplatz beworben hat sich Hans-Christian Ströbele, der sein Direktmandat verteidigen will.

1000 mal fehlen - die Behörden scheinen machtlos

Trotz verschiedener Gegenmaßnahmen der Ämter schwänzte ein 16-Jähriger aus Reinickendorf fast 1000 Mal die Schule. Hartnäckige Schwänzer sind in Berlin keine Seltenheit. Wie wirksam sind die Methoden der Behörden?

In Reinickendorf sind sie entsetzt. Von einem „tragischen Einzelfall“ spricht Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU). Fast 1000 Mal hat ein 16-Jähriger aus Reinickendorf im Laufe seiner Schulzeit bereits geschwänzt. „Da ist das Kindeswohl meiner Ansicht nach massiv gefährdet“, empört sich die Stadträtin. „Dem Jungen fehlen ja Grundkenntnisse im Rechnen und Schreiben.“ Wie berichtet, muss sich jetzt seine Mutter vor Gericht verantworten. Ihr wird eine Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen. Wegen eines Formfehlers muss das Verfahren aber neu angesetzt werden.
Der Junge lebt mit seiner Mutter seit 2010 in Berlin. Zuvor wohnte die Familie in Rheinland-Pfalz; auch dort ging er die meiste Zeit nicht in die Schule. Insgesamt 14 Bußgeldbescheide bekam die Mutter deshalb, drei waren es in Berlin – in Höhe von 250, 400 und 600 Euro. Davon soll sie nur einen Bruchteil bezahlt haben. Zweimal wurde der Junge von der Polizei abgeholt und zur Schule gebracht – „polizeiliche Zuführung“ heißt das bei den Behörden. Doch auch diese Maßnahme zeigte keine Wirkung. Schließlich wurde der Mutter eine sogenannte Erzwingungshaft angedroht. Gleichzeitig wandte sich das Schulamt an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Verletzung der Fürsorgepflicht.
Über 3500 Schüler in Berlin gelten als hartnäckige Schwänzer mit mehr als zehn unentschuldigten Fehltagen im Jahr – die Bildungsverwaltung spricht dann von „Schuldistanz“. Rund 650 Schüler fehlten im Schuljahr 2011/12 sogar mehr als 40 Tage ohne Entschuldigung. In den Jahren zuvor waren es noch mehr – die Quote der schuldistanzierten Schüler ist von 1,43 Prozent im Jahr 2010/11 auf 1,34 Prozent im Jahr 2011/12 gesunken. Dennoch stelle das Problem eine drängende Herausforderung dar. „Schuldistanz führt zu Schulverweigerung und kann mit Schulabbruch enden“, sagt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

 
Bei den Maßnahmen setzen Schulverwaltung und Bezirke auf eine Mischung aus Prävention und Sanktionen. In der Regel bemühen sich zunächst Sozialarbeiter an den Schulen um die Familien und versuchen, die Ursachen zu erkennen. Denn die Gründe für das Schwänzen sind vielfältig. Einige Familien sind mit dem Alltag überfordert, in anderen Fällen haben die Schüler wegen Mobbings Angst, zur Schule zu gehen. Seit letztem Jahr werden Eltern bereits ab dem ersten unentschuldigten Fehltag informiert. Bei mehr als zehn Fehltagen müssen die Schulen eine Versäumnisanzeige stellen und das Jugendamt kontaktieren. Als weitere Konsequenzen gibt es Bußgelder, Erzwingungshaft und polizeiliche Zuführung.
Insbesondere diese Maßnahme ist jedoch umstritten. „Die Jugendlichen bekommen dann noch einen großen Auftritt im Polizeiwagen vor der Schule“, sagt die Neuköllner Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD). „Das hat sich bei uns als nicht so wirksam erwiesen.“ Giffey setzt stattdessen auf Prävention, und die müsse möglichst schon in der Grundschule beginnen. Denn dort fangen die Probleme bereits an. In ihrem Bezirk seien im letzten Jahr etwa über 380 Kinder von ihren Eltern nicht einmal zur Einschulung angemeldet worden. In sechs bis acht Fällen hätten die Eltern schließlich von der Polizei zur Anmeldung gebracht werden müssen.

Verschlungenen Pfaden von Pferdefleisch

Der Pferdefleisch-Skandal breitet sich weiter in Europa aus. Immer neue Firmennamen tauchen im Zusammenhang mit den Fleisch-Tricksereien auf. Es handelt sich um ein ganzes Netz aus Produzenten, Lieferanten und Händlern.

In den europaweiten Pferdefleisch-Skandal sind mehr Firmen verwickelt als bislang bekannt. Nach und nach kommt Licht in das Netz aus Produzenten, Lieferanten und Händlern von Fertigprodukten, in dem nach ersten Erkenntnissen nicht deklariertes Pferdefleisch verarbeitet wurde. In vielen Ländern suchen Kontrolleure nach verdächtigen Lebensmitteln, die Ermittlungen gegen mutmaßliche Betrüger laufen. Politiker fordern schärfere Kontrollen und Strafen im Kampf gegen Tricksereien mit Fleisch.
Das am Freitag vom Discounter Lidl aus den Regalen entfernte Nudelgericht „Tortelloni Rindfleisch“ stammt entgegen ersten Angaben österreichischer Behörden nicht aus Stuttgart.
 In der Alpenrepublik war zuvor ein nicht deklarierter Anteil Pferdefleisch in Ware mit dieser Bezeichnung gefunden worden. Wie ein Lidl-Sprecher am Samstag mitteilte, fertigt die Hilcona AG das Produkt in Schaan, im Fürstentum Liechtenstein. „Die Rohware dafür stammt von Vossko aus Ostbevern (Nordrhein-Westfalen) oder dem Schweizer Hersteller Suttero aus Gossau“, sagte er.
Bei einer von zwei genommenen Proben war nach Informationen des österreichischen Gesundheitsministeriums Pferdefleisch in der Lidl-Ware „Tortelloni Rindfleisch“ nachweisbar. Die Behörden hatten zunächst erklärt, das Gericht sei von der in Stuttgart ansässigen Gusto GmbH produziert worden. Zum Schutz von Verbrauchern will Frankreich rasch eine freiwillige Kennzeichnung von Fleisch erreichen, wie Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll der Zeitung „20 Minutes“ sagte. In Frankreich ist das Unternehmen Spanghero schwer belastet. Es soll für falsch deklarierte Lieferungen verantwortlich sein. Das Unternehmen weist das zurück.

Nach Ermittlungen hat Spanghero aber wissentlich solches Fleisch etwa an den Hersteller Comigel verkauft. Dort wurde es verarbeitet und auch nach Deutschland geliefert. Insgesamt soll Comigel rund 4,5 Millionen Fertiggerichte mit falsch deklariertem Fleisch von Spanghero hergestellt haben, die an mindestens 28 Unternehmen in 13 europäischen Ländern verkauft wurden. Von einer verdächtigen Lasagne sind rund 179 000 Packungen nach Deutschland geliefert worden. Dies gehe aus einer EU-Information hervor, sagte ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums am Samstag in Berlin. (dpa)

Tuesday, February 12, 2013

Kohle in der City Palace gefunden

Im Baugrund unter dem Schloss sind Kohlevorkommen entdeckt worden, die jetzt entfernt werden müssen. Dafür sind etwa 1000 zusätzliche Bohrungen notwendig. Die Mehrkosten sind bereits eingeplant.

Im Baugrund des Berliner Stadtschlosses sind Kohlevorkommen entdeckt worden. Um diese zu entfernen, seien nun etwa 1000 zusätzliche Bohrungen nötig, sagte der Vorstand der Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum, Manfred Rettig, am Dienstag in Berlin. Die Mehrkosten von etwa 450 000 Euro seien bereits eingeplant. Es werde keine Verzögerungen der Bauarbeiten geben. Die Vorkommen seien relativ gering: „Berlin wird kein Kohleabbaugebiet“, scherzte Rettig. Nach der Auftragsvergabe für den Rohbau an die Firma Hochtief Solutions AG vor wenigen Tagen äußerte sich Rettig zuversichtlich: „Ich habe den Eindruck, dass die Firma ein vernünftiges Projekt abgeben will.

(dpa)

Berliner Polizei Schlag gegen Neonazis

Im Rahmen von Ermittlungen gegen Neonazis hat die Polizei neun Wohnungen durchsucht. Dabei wurden unter anderem Schusswaffen, Schlagringe und Polenböller gefunden. Unter den Beschuldigten ist auch ein alter Bekannter.

Die Berliner Polizei hat nach Informationen des "Tagesspiegel" am Dienstag neun Wohnungen von Neonazis sowie eine Kneipe und einen Handwerksbetrieb durchsucht, die auch der rechten Szene zugeordnet werden. Gegen die Rechtsextremisten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Angriffen auf Homosexuelle, Volksverhetzung, illegale Plakatierung und weiterer Delikte. An der Razzia hätten sich auch Beamte aus Brandenburg beteiligt, da einer der Neonazis aus dem Nachbarland stammt, hieß es in Sicherheitskreisen. Bei dem Mann handelt es sich um Sascha L.
, der schon in den 1990er Jahren als brutaler Schläger aufgefallen war. Der Skinhead hatte im Februar 1996 in Brandenburg/Havel den Punk Sven Beuter zu Tode getreten. Das Landgericht Potsdam verurteilte Sascha L. im November 1996 wegen Totschlags zu siebeneinhalb Jahren Haft. Der Rechtsextremist lebt inzwischen im Berliner Bezirk Pankow.


Bei der Durchsuchung stellte die Polizei zwei Schusswaffen, einen Schlagring, Polenböller, Handys und USB-Sticks sicher. Die Beamten nahmen sich auch die Wohnung eines NPD-Funktionärs sowie die eines kürzlich verurteilten Neonazis vor. Anfang Februar hatte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten gegen Julian B. eine Bewährungsstrafe wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung im Berliner Wahlkampf 2011 verhängt.
Ein Anlass für die Durchsuchung war auch das Verfahren gegen Hintermänner der Homepage des "Nationalen Widerstands Berlin". Auf der Seite "NW Berlin" wurden steckbriefartig zahlreiche Nazigegner als "Linkskriminelle" diffamiert. (tsp)

Wednesday, February 6, 2013

Muss anonymen Samenspender zur Offenlegung der Namen

Die Tochter eines anonymen Samenspenders hat am Oberlandesgericht Hamm (OLG) das Recht auf die Herausgabe des Namens ihres biologischen Vaters erreicht. Doch das könnte schwierig werden.
Das Gericht verkündete am Mittwoch eine entsprechende Entscheidung. Geklagt hatte eine junge Frau, deren Mutter sich per Samenbank anonym befruchten lassen hatte. Vor dem Landgericht Essen hatte die Klägerin in erster Instanz keinen Erfolg. Der beklagte Mediziner berief sich auch darauf, dass die Daten zu dem Fall nicht mehr vorliegen. Gesetzlich wurde eine längere Aufbewahrungsfrist erst vorgeschrieben, nachdem die heute 22 Jahre alte Klägerin geboren war. (dpa)

FlexStrom für einen Euro

Der Berliner Billigstromanbieter Flexstrom soll verkauft werden – womöglich zu einem symbolischen Preis. Kunden klagen über die schleppende Auszahlung von Guthaben 
     Die Eigentümer des Billigstromanbieters Flexstrom suchen seit mehreren Wochen nach Investoren. Informationen des „Handelsblatts“ zufolge wurde das Unternehmen dabei auch Konkurrenten zum Kauf angeboten. Unter anderem wurden die RWE-Tochter Eprimo sowie der Eigentümer des Gasanbieters Goldgas, der Finanzinvestor BluO, angesprochen. Das erfuhr das „Handelsblatt“ in Kreisen, die mit den Gesprächen vertraut sind. Mindestens ein weiterer Strom- und Gasanbieter soll sich die Flexstrom-Gruppe angeschaut haben. Es werde ein symbolischer Preis von einem Euro verlangt, weil die Verbindlichkeiten hoch sein.  Weder BluO noch RWE wollten sich zu den Gesprächen äußern. Flexstrom-Sprecher Dirk Hempel wollte sich auf Anfrage nicht zu den Motiven für die Verkaufsgespräche äußern. Ob es überhaupt Verkaufsgespräche gebe, kommentierte er nicht. Er dementierte aber, dass Flexstrom für nur einen Euro zu haben sei. Hempel antwortete auf eine entsprechende Frage des „Handelsblatts“: „Es gibt für die Flexstrom-Eigentümer auch absolut gar keinen Grund, ihre ,Anteile gegen einen rein symbolischen Betrag von beispielsweise einem Euro abzugeben’. Dies gilt identisch auch für sämtliche Tochterunternehmen.“
Flexstrom ist mit knapp 600 000 Kunden einer der größten unabhängigen Strom- und Gasanbieter Deutschlands. Das Unternehmen war 2003 gegründet worden und mit Billigangeboten jahrelang rasant gewachsen. Der Konzern beschäftigt in Berlin in seiner Zentrale am Reichpietschufer in Tiergarten und einem Callcenter in Mariendorf knapp 700 Mitarbeiter.
Die letzten vorliegenden Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2012 zeigen, dass sich das Wachstum deutlich verlangsamt hat. Verglichen mit Ende 2012 konnte die Gruppe die Kundenzahl nur noch um 7500 auf knapp 570 000 steigern. Die Stammmarke Flexstrom büßte unter dem Strich rund 35 000 Kunden ein. Die Tochter Optimal Grün, die erst seit Oktober 2011 zur Flexstrom-Gruppe gehört, verlor ebenfalls 35 000 Kunden, was gut einem Drittel ihres Kundenstammes entspricht. Flexstrom hatte Optimal Grün 2011 für 20 Millionen Euro erworben.
Käufer und Verkäufer waren dabei identisch: Die Männer, die Optimal Grün gründeten und verkauften, waren dieselben Männer, denen auch Flexstrom gehört: Robert und Thomas Mundt halten jeweils knapp 45 Prozent an der Muttergesellschaft Flexstrom. Robert Mundt ist Vorstandschef, sein Bruder Thomas sitzt im Aufsichtsrat. Jeweils fünf Prozent halten Finanzvorstand Martin Rothe und Andreas Felix, der Geschäftsführer von Löwenzahn Energie, einer weiteren Tochtergesellschaft von Flexstrom
Im vergangenen November wollte sich Flexstrom 35 Millionen Euro über eine Mittelstandsanleihe besorgen, blies das Vorhaben aber einige Tage vorher ab. Im Börsenprospekt für die Anleihe hatte das Unternehmen das Abflauen des Wachstums selbst kritisch beschrieben. Daraufhin sprach das Management Interessenten für eine Übernahme an. Für einen Käufer aus der Energiebranche könnten vor allem die Kundendaten von Interesse sein. In Branchenkreisen wird aber auch über einen Teilverkauf – beispielsweise der Tochtergesellschaften Optimal Grün und Löwenzahn – gegen eine Finanzspritze durch einen Investor oder ein Darlehen spekuliert.
Derweil eskalierte der Streit mit Netzbetreibern, die Flexstroms Strom und Gas durchleiten. Nachdem einige Betreiber den Anbieter auf Vorkasse gesetzt hatten, weil Rechnungen schleppend bezahlt wurden, wurde den beiden Töchtern Optimal Grün und Löwenzahn in Wuppertal vor rund zwei Wochen sogar der Zugang zum Netz gesperrt.
Kunden klagen wiederum über die schleppende Auszahlung von Guthaben. Im Internet gibt es eine Facebook-Seite von „Flexstrom-Geschädigten“, auf der sich Kunden des Stromanbieters gegenseitig austauschen und beraten.
Trotz dieser düsteren Zeichen und dem Umstand, dass der Free Cash Flow der Gruppe im ersten Halbjahr 2012 bei minus 15,8 Millionen Euro lag, wies Flexstrom in den vergangenen Wochen vehement mögliche Liquiditätsprobleme zurück. „Insbesondere die Aussage, dass es Verbindlichkeiten gäbe, die wir nicht aus eigener Kraft bedienen könnten, weisen wir mit Nachdruck und ausdrücklich zurück. Wir bereiten definitiv keinen Insolvenzantrag vor – und haben dies auch in der Vergangenheit nicht getan. Dafür gibt und gab es nicht den geringsten Anlass. Anderslautende Behauptungen sind schlicht unwahr“, schreibt Flexstrom- Sprecher Hempel. HB
          

Tuesday, February 5, 2013

ARD Präsident will die Rundfunkgebühren korrigieren

Erneut hat Lutz Marmor die Reform der Rundfunkgebühr verteidigt. Dennoch will er in einigen Bereichen Änderungen vornehmen und dazu Gespräche mit den Kommunen führen.

Der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor hat „in einzelnen Fällen“ Nachbesserungen beim Rundfunkbeitrag in Aussicht gestellt. Zum Beispiel müssten demente Patienten in Pflegeheimen keine Beiträge zahlen. Das Gesamtkonzept allerdings verteidigte Marmor am Dienstag erneut: „Die Reform der Rundfunkgebühren halten wir nach wie vor vom Grundsatz her für richtig“, sagte der ARD-Chef nach der Sitzung der ARD-Intendanten in Hamburg.
Marmor war sichtlich bemüht, die aufgeregte Diskussion um die Gebühren, die Betriebe und Kommunen zu entrichten haben, zu versachlichen. Es werde zur- zeit viel geschrieben über Gebührenrechnungen zum Beispiel für Friedhöfe und Bagger.
Diese seien jedoch in Wahrheit nicht beitragspflichtig.
Seit dem 1. Januar richtet sich der Beitrag nicht mehr nach Zahl und Art der Geräte, sondern wird pro Haushalt fällig. Ein Haushalt zahlt 17,98 Euro im Monat. Firmen, Städte und Gemeinden sollen nach Zahl der Betriebsstätten und Fahrzeuge den Beitrag leisten. Marmor, der als NDR-Intendant seit Jahresbeginn turnusgemäß den ARD-Vorsitz innehat, verwies darauf, dass sich für mehr als 90 Prozent der Gebührenzahler nichts ändere. „Wir reden von 59 Cent pro Tag für die gesamte Programmvielfalt. Das kann ich gut vertreten.“ Mit den Kommunen will er demnächst Spitzengespräche führen: „Wir müssen das jetzt in aller Ruhe analysieren, aber wir können keine Gesetze verändern, nur weil es Ärger gibt“, sagte Marmor.
Bei der Frage nach mehr finanzieller Transparenz verwies der ARD-Chef am Dienstag auf den regelmäßigen 2000-seitigen Bericht der ARD an die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), der so etwas sei wie eine Bilanz.

ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte, dass die Intendantenkonferenz über das Thema „Quote und Qualität“ sehr offen diskutiert habe. Ein Teil ihrer Legitimation beziehe die ARD über Programme, die sonst keine ökonomische Basis hätten. Er verwies außerdem auf die hohen Glaubwürdigkeitswerte der ARD. Laut einer aktuellen Studie finden 75 Prozent der Zuschauer das Erste sei glaubwürdig, von den Privatsendern sagen dies im Schnitt nur 25 Prozent. Den Unterhaltungswert des Programms könne man sicherlich noch steigern, so Herres. „Doch auch, wenn das ,Dschungelcamp‘ jetzt für den Grimme-Preis nominiert ist - so etwas wird es bei uns nicht geben.“ Er finde, diese Nominierung sei schwer zu ertragen: „Ich glaube, das ist eine echte Zäsur in der deutschen Fernsehkultur.“
Grünes Licht gaben die ARD-Intendanten bei ihrem Treffen für die Einführung einer kostenlosen Das-Erste-App für mobile Endgeräte. Damit könnten die Nutzer auf den mobilen Programmführer sowie Videos und Livestream des Ersten zugreifen.

 

Was für eine Gelegenheit, die von der Klage gegen Standard & Poor Besitz?

Die US-Regierung will die Ratingagentur Standard & Poor’s für die Finanzkrise haften lassen. Sie habe wissentlich Höchstnoten für Schrottpapiere vergeben. Das Urteil könnte wegweisend sein.

Die Krise begann ganz bieder, mit dem Traum vom Eigenheim. Für Millionen von Amerikanern wurde er zum Albtraum, als 2008 die Immobilienblase platzte und zur Finanzkrise führte. Häuser verloren an Wert, Eigentümer konnten ihre Hypotheken nicht bezahlen, und an der Wall Street lösten sich Milliarden-Investitionen in heiße Luft auf. Anleger hatten unzählige Hypotheken-Papiere für sicher gehalten – immerhin hatten die Ratingagenturen stets Bestnoten vergeben. Zu Unrecht, wie sich zeigte, und dafür soll zumindest eine Agentur nun büßen. Das amerikanische Justizministerium verklagt den Branchenprimus Standard & Poor’s (S&P) und dessen Muttergesellschaft McGraw-Hill auf Schadenersatz in Milliardenhöhe – auch ein Schuldeingeständnis wird gefordert.

Was steht in der Klage?
An der Klage der Regierung dürften sich die Staatsanwälte zahlreicher amerikanischer Bundesstaaten beteiligen. Gemeinsam wirft man Standard & Poor’s vor, das Unternehmen habe „wissentlich und in betrügerischer Absicht eine Tat erdacht und ausgeführt, um Investoren zu schaden“. Zudem habe es immer wieder die eigene Arbeit als „objektiv, unabhängig und frei von Interessenskonflikten“ dargestellt.


Es ist das erste Mal, dass eine Ratingagentur für falsche Einschätzungen von Wertpapieren zur Rechenschaft gezogen wird. Entsprechend einfach macht man es sich zunächst bei Standard & Poor’s. Das Unternehmen sieht weder faktisch noch legal eine Grundlage für die Klage und beruft sich auf die Meinungsfreiheit, die in der amerikanischen Verfassung verankert ist. Die Einschätzungen zu Wertpapieren seien „lediglich Meinungen“ gewesen und keine bindenden Empfehlungen.

Wie kommen Agenturen zu ihren Ratings?
Standard & Poor’s führt an, dass immerhin auch die beiden anderen Agenturen – Moody’s und Fitch – bei den meisten Wertpapieren zur gleichen Einschätzung gekommen seien und Bestnoten vergeben hätten. Ob das Justizministerium auch gegen die beiden Konkurrenten vorgehen wird, ist zur Zeit nicht bekannt. Dass alle drei Agenturen für gewöhnlich dieselbe Note für ein Wertpapier vergeben haben, ist ebenso richtig wie die Tatsache, dass sie für ihre Bewertungen unterschiedliche Rechenmodelle anlegen.


Richtig ist aber auch, dass die Agenturen sich von Emissionären für die Bewertung von komplizierten Investments bezahlen ließen – und zwar fürstlich. In den Jahren vor der Finanzkrise heimsten die Agenturen Rekordgewinne ein. Der Branchenprimus hat allein für die Einschätzungen von vierzig Wertpapieren, die in der aktuellen Klage genannt werden, Gebühren von rund 13 Millionen Dollar kassiert. Der offensichtliche Interessenskonflikt – Bestnoten gegen Bezahlung – könnte Standard & Poor’s vor Gericht zum Verhängnis werden.
Aus internen E-Mails wird deutlich, dass Standard & Poor’s alles andere als eine ehrliche Meinung zu den unterschiedlichen Papieren abgab. „Die Ratingagenturen bauen jetzt ein noch größeres Monster auf: den CDO-Markt“, schrieb 2006 ein Mitarbeiter intern mit Bezug auf den nur lax regulierten Handel mit den komplizierten „Collateral Debt Obligations“. Er schreibt weiter: „Hoffen wir, dass wir alle reich und im Ruhestand sind, wenn dieses Kartenhaus zusammenfällt.“
E-Mails wie diese – insgesamt liegen dem Justizministerium 20 Millionen E-Mails vor – scheinen zu belegen, dass man intern sehr wohl wusste, dass sich auf dem Hypothekenmarkt eine Blase bildete, und dass man aus reiner Gewinnsucht mitspielte.

 


20 Gründe (Rückkehr) nach Berlin zu ziehen

Tausende Menschen zieht es jedes Jahr nach Berlin, ob sie nun neu hinzuziehen oder in die Heimat zurückkehren. Carmen Schucker ist eine von letzteren und hat 20 Gründe festgehalten, warum sie sich für die Hauptstadt entschieden hat.

Liebe, Studium, ein neuer Job: Es gibt einige vernünftige Gründe nach Berlin zu ziehen. Doch für viele, die sich in die Hauptstadt aufmachen oder nach ein paar Jahren Abwesenheit dahin zurückkehren, ist das längst nicht alles. Sie treibt Abenteuerlust, Großstadthunger oder einfach Sehnsucht nach dem bunten Treiben. Unsere Autorin Carmen Schucker hat 20 Gründe gefunden, warum sie sich letztendlich entschied, nach jahrelangem Studium in Baden-Württemberg, nach Berlin zurückzukehren. Eine Hommage an die Hauptstadt.

1. Im tiefsten Innern ist wohl jeder Mensch „Provinzler“ – und kein Dorf ist größer als Berlin. Und das Gute daran: Berlin beherbergt gefühlte hundert Dörfer.
Für jeden Geschmack ist etwas dabei: Ob Leben um den Kreuzberg, residieren in Zehlendorf oder Wohnen am See in Tegel.
2. Nirgends ist es lauter, dreckiger und aufreibender. Ähnliches stellte auch schon Anneliese Bödecker, Sozialarbeiterin und Trägerin des Verdienstordens der Stadt Berlin fest: „Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch, Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen wo man geht und steht - aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können!“. Berlin ist eine Herausforderung, gewiss, und Herausforderungen muss man mögen.
3. Nirgends sind die Taxifahrer netter (wer etwas anderes behauptet lügt!).
4. Es gibt 24 Stunden am Tag Döner zu kaufen. Und das an jeder zweiten Ecke. Da Essen bekanntlich glücklich macht und Döner seinem Ruf nach sogar schöner, ist für das (leibliche) Wohl der Bewohner gesorgt.
5. Die Berliner "Spätis" sind eine Institution für sich. Und 24 Stunden Einkaufen bedeutet de facto: (Fast) alles ist zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar – ein wahres (Party-)Rettungs-Tool.
6. Die Stadt hat das Naturkundemuseum in denen echten Dinosaurier-Skelette zu sehen sind. Jedes Kind sollte mit Dinosauriern um die Ecke aufwachsen.
7. Keine Stadt flirtet mehr mit einem - und nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Bewohner sind darin gut. Ob in der U-Bahn, im Café oder an Berliner Plätzen.
8. Genau 25 von insgesamt 34 deutschlandweiten Dunkin-Donuts-Fialen sind in Berlin. Am Hauptbahnhof sieht man die Abreisenden täglich unzählige Tüten in ihre Heimat exportieren. Auch das ist eine deutsche Seltenheit.
9. Der Fernsehturm. Jede Stadt sollte einen haben. Aus jeder Perspektive schön anzusehen.

 

U-Häftlinge Sue Berlin

Frühere Insassen der Anstalt in Moabit sprechen von menschenunwürdigen Haftbedingungen. Sie wollen das Land verklagen, so wie es Strafgefangene aus dem Großgefängnis Tegel bereits getan haben.

Auf Berlin kommen erneut Entschädigungsklagen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zu. Wie der Tagesspiegel aus Justizkreisen erfuhr, klagen ehemalige Untersuchungshäftlinge aus dem Gefängnis in Moabit, teilweise fordern sie jeweils mehrere 10 000 Euro Entschädigung. Derzeit werden bereits Fälle verhandelt, in denen verurteilte Insassen der Justizvollzugsanstalt Tegel entschädigt werden wollen. Sie klagen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen in einigen Zellen. Hintergrund ist ein Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs von 2009, wonach etwa Zellen im inzwischen geschlossenen Haus I von 5,3 Quadratmeter Größe gegen die Menschenwürde verstoßen haben.

In den neuen Fällen geht es nicht um Strafgefangene, sondern um Untersuchungshäftlinge – die Klagen aber sind ähnlich: Die Bedingungen in Moabit seien menschenunwürdig, auch weil die Verdächtigen bis zu 23 Stunden in Zellen eingesperrt gewesen seien. Nicht unwahrscheinlich ist, dass Gerichte den Klägern eine Entschädigung zusprechen, wenn auch nicht in der geforderten Höhe: In einem aktuellen Fall hat das Kammergericht einem Antrag auf Prozesskostenhilfe eines früheren Untersuchungshäftlings stattgegeben – und diese Hilfe wird nur bei hinreichender Aussicht auf Erfolg gewährt. Dem Antrag zufolge hatte der Mann mehr als 900 Tage in Einzelzellen in Moabit eingesessen, 23 Stunden täglich. Das Urteil zu menschenunwürdigen Haftbedingungen 2009 habe – so die vorläufige Einschätzung des Kammergerichts – „Maßstäbe aufgestellt, deren Anwendung dazu führen könnte, die von dem Antragsteller geschilderten Haftbedingungen als menschenunwürdig anzusehen.“ Aus dem aktuellen Beschluss geht auch hervor, dass die Richter nicht die geforderten 90 800 Euro als angemessene Entschädigung ansehen, sondern 25 100 Euro. Sollten solche Summen letztinstanzlich bestätigt werden, könnten sich viele (frühere) Untersuchungshäftlinge zu Klagen entschließen.
„Allein bei mir haben sich in den vergangenen Wochen zehn Mandanten gemeldet, einige Klagen haben wir schon eingereicht“, sagte die Anwältin Diana Blum. Dabei sei unerheblich, ob die Betroffenen nach der Untersuchungshaft verurteilt wurden.
Eine Sprecherin von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte am Montag, zu laufenden Verfahren könne man sich nicht äußern, zumal das Land ja Partei in den Prozessen sei. Kritische Stimmen kamen aus der Opposition im Abgeordnetenhaus. Womöglich werde auf die Justiz eine große Anzahl von Entschädigungsforderungen zukommen, sagte Dirk Behrendt, Rechtsexperte der Grünen. Seine Partei habe bei den Haushaltsberatungen darauf hingewiesen, dass das Land darauf nicht vorbereitet sei. „Damals meinte der Justizsenator, darauf verzichten zu können. Das könnte sich nun bitter rächen“, sagte Behrendt.

Die Gefängnisse in Tegel und Moabit sind um 1900 entstanden. Mit den beengten Verhältnissen in Tegel wird sich demnächst der Bundesgerichtshof (BGH) befassen. Klagen von drei Häftlingen auf Schadensersatz waren im August 2012 in Berlin in zweiter Instanz zunächst gescheitert: Die Richter folgten der Auffassung, die Unterbringung habe gegen die Menschenwürde verstoßen. Doch das Land könne wegen der seinerzeit fehlenden Regelungen nicht haftbar gemacht werden. Außerdem hätten die Betroffenen sofort eine Verlegung beantragen sollen. Rechtspolitiker Behrendt und Anwältin Blum räumen den Klägern vor dem BGH aber Chancen ein.
Unabhängig vom Streit um die Haftbedingungen muss Berlin ehemalige Sicherungsverwahrte entschädigen. Am Mittwoch hatte das Landgericht entschieden, vier ehemaligen Langzeithäftlingen stünden je zwischen 26 000 und 40 000 Euro zu. Nach einem viel beachteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2009 wurden die Männer freigelassen: Das Gericht in Straßburg hatte die seinerzeit in Deutschland übliche Praxis der Sicherungsverwahrung für unrechtmäßig erklärt.

Woelkis Welt

Wie Berlins Kardinal Rainer Maria Woelki das Erzbistum erneuern will – und wie wichtig eine katholische Fakultät für seine Pläne sein könnte.



Die katholische Kirche steht denkbar schlecht da. Menschen kehren ihr scharenweise den Rücken, weil sie ihr nichts mehr zutrauen: weder die Aufklärung der Missbrauchsskandale noch intellektuelle Impulse oder Rat im Alltag, seit dem Kölner Krankenhausskandal nicht mal mehr Hilfe für Notleidende. Doch ausgerechnet aus dem säkularen Berlin funkt die katholische Kirche positive Signale. Das liegt an Kardinal Rainer Maria Woelki. Er ist gerade eineinhalb Jahre im Amt, mischt sich ein und hat Aufbruch in die Kirche gebracht wie lange keiner mehr. Wo sich andere Bischöfe unglaubwürdig machen, weil sie Dogmen und Lehren über die Nöte von Menschen stellen, versucht er die Theologie wieder näher an die Menschen zu rücken.

So geschehen vor einem Jahr, als er innerkirchlich mehr Verständnis für Homosexuelle zu wecken versuchte. Vergangenes Wochenende regte er eine gesamtkirchliche Debatte über die „Pille danach“ an. Und während andernorts katholische Hochschulen schließen, weil die Studenten fehlen, will Woelki die erste katholische Fakultät in Berlin eröffnen.
Am Anfang wirkte er auf viele weltfremd und in sich gekehrt. Doch der Kardinal schaut und hört genau hin. Als einer der Ersten kritisierte er das geplante Abschiebegefängnis auf dem neuen Flughafen BER. Es passt, dass er sich jetzt für seine Hochschulpläne die katholische Gemeinschaft der Pallottiner in Vallendar bei Koblenz für eine Zusammenarbeit ausgesucht hat. Denn die Philosophisch-Theologische Hochschule der Pallottiner (PTHV) hat eine deutlich soziale, diakonische Ausrichtung. Sie kooperiert mit der Marienhaus GmbH, einem von Franziskanerinnen geleiteten Verbund von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Nicht im Elfenbeinturm, sondern in Verbindung mit Pflegeberufen und sozialer Verankerung will sie Theologie in der säkularen Gesellschaft vermitteln. Eine so ausgerichtete theologische Fakultät würde sich auch gut mit der bereits bestehenden Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen in Berlin ergänzen. In der PTHV prüfe man Woelkis Antrag „wohlwollend“, sagt eine Sprecherin.
Der Berliner Kardinal hat sich schon öfter in Vallendar umgeschaut und wird auch Anfang März erwartet. Dann veranstaltet die Hochschule eine Tagung zum 80. Geburtstag von Kurienkardinal Walter Kasper, zu der Kurienerzbischof Rino Fisichella, der neue Chef der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller und weitere wichtige Vertreter der katholischen Kirche anreisen werden.

Angedacht ist, dass die Pallottiner in Berlin einen zweiten „Campus“ aufbauen, speziell für den Magisterstudiengang. Die Lehrkräfte würden zwischen Vallendar und Berlin pendeln. Als möglicher Standort ist das Bernhard-Lichtenberg-Haus hinter der St. Hedwigs-Kathedrale im Gespräch. Unklar ist die Finanzierung. Nach Auskunft von Kardinal Woelki ist das Erzbistum finanziell konsolidiert, man habe aber dennoch keinen übermäßigen Spielraum. Womöglich wird Geld aus Rom für die Hochschule fließen. Woelki betonte bereits vor einem Jahr, dass Papst Benedikt XVI. eine katholische Fakultät in Berlin zumindest ideell unterstützen würde.
In Berlin ist ein eigenständiges katholisches Theologiestudium bisher nicht möglich. An der Freien Universität Berlin bildet das Seminar für katholische Theologie Lehramtsstudenten aus, an der Humboldt-Universität scheiterten in den neunziger Jahren Pläne für einen Lehrstuhl der katholischen Theologie. Auch für die Pallottiner könnte die Aussicht, einen zweiten Campus in Berlin zu eröffnen, attraktiv sein. Seit Jahren geht die Zahl der Studierenden in Vallendar zurück, im Erstsemester sind es jetzt nur noch eine Handvoll. Berlin dürfte sicherlich mehr Studenten anlocken als das kleine, beschauliche Städtchen in Rheinland-Pfalz.
Eine Erneuerung von Theologie und sozialer Verankerung sind aber nicht die einzigen Ideen, mit denen Woelki die Kirche in der säkularen Gesellschaft verankern und das Berliner Erzbistum profilieren möchte. Seit einem Jahr treibt er Pläne zum Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale voran und sucht das Gespräch mit Künstlern und Kulturschaffenden. Das Erzbistum und seine 400 000 Katholiken stehen aber auch vor großen strukturellen Umwälzungen. Demografische Prognosen sehen einen Rückgang der katholischen Bevölkerung in manchen Regionen des Bistums um bis zu 30 Prozent voraus. Die jetzt 108 Pfarrgemeinden sollen bis 2020 zu 30 pastoralen Großräumen verschmelzen, mit neuen Verwaltungseinheiten, neuen inhaltlichen Schwerpunkten und neuer Vernetzung von Klerikern und Ehrenamtlichen.
Nur wenn der Aufbruch gelingt, wird der Abbruch nicht so schmerzhaft sein. Auch dafür brauchen die Katholiken eine theologische Fakultät. Denn an kaum etwas mangelt ihnen so sehr wie an qualifiziertem Nachwuchs.

Allein unter Heteros

In der Schule wurde Christian Hartphiel zum Coming-out genötigt. Heute kämpft der Templiner gegen die Landflucht von Schwulen und Lesben.

Christian Hartphiel ist Ur-Uckermärker. „Mein fünfter Urgroßvater ist im evangelischen Kirchenbuch von Templin als Schafshirte eingetragen. Der hieß auch Christian“, erzählt der 34-Jährige. Auch Hartphiel junior ist in der Uckermark tief verwurzelt, für die SPD sitzt er in der Templiner Stadtverordnetenversammlung, arbeitet seit 15 Jahren als Gruppenleiter in einer Behindertenwerkstatt. Dass jemand seiner Heimat für immer den Rücken kehrt, ist für den selbstbewussten jungen Mann kaum nachvollziehbar – und schon gar nicht wegen der eigenen sexuellen Prägung. Hartphiel selbst hatte sein Coming-out bereits in der achten Klasse. Eine Klassenkameradin nötigte ihn damals vor versammelter Mannschaft dazu.

Heute kämpft der Templiner als Vorsitzender des Vereins „UM-Queer“ gegen die Landflucht von Schwulen und Lesben. Ein wachsendes Gemeinschaftsgefühl soll Homosexuellen Mut zur Offenheit machen und sie vom Wegziehen abhalten.
Während in Berlin seit knapp zwölf Jahren ein schwuler Bürgermeister regiert, ist die Uckermark in Sachen Schwulsein noch immer Entwicklungsland. Wer ohne Kompromisse seine Homosexualität ausleben will, zieht lieber in die Großstadt. Auf dem Land bringen nach wie vor viele den Mut für eine Offenbarung gar nicht erst auf, verstecken sich aus Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und Repressalien am Arbeitsplatz, heiraten einen andersgeschlechtlichen Partner, zeugen sogar Kinder. Immer wieder sitzt Hartphiel abends stundenlang vor dem Laptop, antwortet auf verzweifelte E-Mails oder hört sich am Telefon die Schicksale anderer an. „Dieses dauerhafte Unglücklichsein macht die Menschen krank.“



Einem 53-jährigen Schiedsrichter aus Lychen hat Christian Hartphiel erst im vergangenen August geholfen, aus dem vermeintlich ausweglosen Elend auszubrechen. Nach jahrzehntelangem Versteckspiel outete sich Burkhard Bock Anfang der Saison vor seinen Schiedsrichter-Kollegen. Die Rede dazu hatte Hartphiel geschrieben. „Für all die Leute, die versteckt leben und mit dem Gedanken spielen, sich zu bekennen, ist der Verein ein ganz wichtiger Anlaufpunkt“, sagt Bock heute. „Man hat ja keinen Menschen, mit dem man sprechen kann. Diese Einsamkeit hat mich einfach wahnsinnig gemacht.“ Seit seinem Coming-out lebt er von seiner Last befreit. Seine Kollegen haben seine Homosexualität akzeptiert. Der Fußball-Landesverband Brandenburg hat in seiner Zeitschrift groß über Bock berichtet, er soll nun Ansprechpartner für andere Hilfesuchende werden.
Zwar hat auch Christian Hartphiel schwere Zeiten durchgemacht, doch im Vergleich zu vielen anderen habe er wohl noch Glück gehabt, sagt er. Gehässige Hänseleien sind ihm nach seiner Offenbarung vor der Klasse weitgehend erspart geblieben. „Die eine hatte rote Haare, ein anderer war dick und ich war dann halt der Schwule“, erinnert er sich. Zu Hause war es dann die Oma, die Eltern und den mittlerweile 18-jährigen Sohn nach einer monatelangen Phase des Schweigens wieder an einen Tisch brachte

2005 hatte Hartphiel mit Freunden die Idee, erstmals in Templin zu einem „Stammtisch für Schwule und Lesben“ einzuladen. „Bis dahin gab es gar nichts, keine Treffs, keine Anlaufstelle“, berichtet er. Immerhin 30 Personen kamen zum ersten Treffen. „Ein bisschen war die Atmosphäre von Angst geprägt. Auf dem Tisch hatten wir nur eine ganz kleine Regenbogenfahne stehen“, erinnert sich Hartphiel. Heute hat „UM-Queer“ 50 Mitglieder, ein Drittel kommt von außerhalb der Uckermark. Sie treffen sich zum Bowlen, zum Tanzen oder um ins Kino zu gehen. Zudem organisiert der Verein das überregional bekannte Festival „Queer-Days“, engagiert sich für das Gedenken der im KZ Ravensbrück inhaftierten und ermordeten homosexuellen Frauen und Männer. Zumindest in der 17 000-Einwohner-Stadt Templin hat der Verein ein Stück Normalität geschaffen. Hartphiel sagt aber auch: „In einigen Dörfern ist es für die jungen Leute immer noch schwierig.“