Der Mitarbeiter mit der Nummer 30 war seit 1980 bei Microsoft. Doch bei der Einschätzung von iPhone und Tablet lag er gründlich daneben
Redmond/Berlin - Der Blick auf den aktuellen Börsenkurs seines Unternehmens dürfte Microsoft-Chef Steve Ballmer am Freitag endgültig die Laune verdorben haben. Kaum hatte er seinen Rücktritt auf Raten verkündet, schoss die Aktie um sieben Prozent nach oben. Die Börsianer waren mehrheitlich wohl der Meinung, dass Microsoft die enormen Herausforderungen ohne seinen lautstarken Chefverkäufer besser meistern kann. Ballmer wird es kaum getröstet haben, dass dieser Kursgewinn sein persönliches Vermögen wegen seines dicken Aktienpakets um bis zu eine Milliarde Dollar gesteigert hat.
Nun aber brauche Microsoft einen Chef, der längere Zeit den Wandel zu einem Spezialisten für Geräte und Dienstleistungen begleiten werde, erklärte Ballmer. Damit bestätigte er den Umbruch, in dem Microsoft steckt: Das reine Software-Geschäft mit dem Betriebssystem Windows und Programmen wie Office reicht nicht mehr aus. Zudem hatte das neue Windows 8 bisher nicht den erhofften Erfolg. „Es gibt nie eine perfekte Zeit für einen solchen Übergang, aber jetzt ist die richtige Zeit“, erklärte Ballmer am Freitag seinen Rückzug. Bill Gates kündigte an, dass er bei der Suche nach einem Nachfolger helfen werde. Neben Gates hatte Ballmer einen entscheidenden Anteil am Erfolg, weil er rund um Microsoft ein komplettes System an Hardware-Partnern und Serviceunternehmen zum Blühen brachte. Ballmer verfügte allerdings nicht über das technologische Gespür, das andere Pioniere der Computerindustrie auszeichnete.
Legendär ist seine Fehleinschätzung des iPhones. Kurz nach der Präsentation des ersten Apple-Smartphones im Jahr 2007 machte sich Ballmer über das Produkt lustig und fragte das Publikum, wer wohl das „teuerste Telefon der Welt“ kaufen werde. Es dauerte Jahre, bis Ballmer Konsequenzen aus seinem Irrtum zog und die Entwicklung eines modernen Smartphone-Systems in Auftrag gab, das sich heute gegen die Konkurrenz von Google und Apple schwertut. Zwischendurch musste er mit den missratenen Produkten Zune (einem iPod-Konkurrenten) und Kin (ein Smartphone für Jugendliche) weitere Nackenschläge hinnehmen.
Ballmer wollte zunächst auch nicht wahrhaben, dass immer mehr Menschen einen Tablet-Computer wie das iPad statt eines traditionellen PC verwenden werden. „Die Menschen werden mehr und mehr PC verwenden. Das wird für viele Jahre gelten, die vor uns liegen“, sagte er noch im Juni 2010. Tatsächlich geht der PC-Absatz zurück. Microsoft spielt zwar inzwischen mit dem Tablet-Computer Surface und dem neuen Windows-System auch in dem neuen Marktsegment mit,der Erfolg ist indes bescheiden.
In der Branche wird mit Respekt zur Kenntnis genommen, dass Ballmer in dieser Phase den Weg für einen Neuanfang frei macht. Allerdings wird die Suche nach einem Nachfolger nicht einfach werden. Die Riege der Stars aus der zweiten Reihe bei Microsoft hat sich gelichtet: Chef-Softwarearchitekt Ray Ozzie verließ 2010 das Unternehmen, Windows-Chef Steve Sinofsky warf im vergangenen November das Handtuch. Unter den Microsoft-Managern ist derzeit Tony Bates der Favorit für die Ballmer-Nachfolge. Der ehemalige Chef des Online-Telefondienstes Skype ist auch für die Businessabteilung bei Microsoft zuständig und gilt als Internetexperte. (dpa)
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