Monday, April 29, 2013

Amazon Belegschaft will streiken

Die Belegschaft des größten Amazoon-Standortes in Bad Hersfeld hat für einen Streik gestimmt. Denn die Geschäftsführung weigert sich weiter, Tarifverhandlungen aufzunehmen.

Beim weltgrößten Internet-Versandhändler Amazon stehen die Zeichen in Deutschland erstmals auf Streik. Nach Leipzig stimmten nun auch die Mitarbeiter am größten Amazon-Standort Bad Hersfeld mit 97,6 Prozent für einen Arbeitskampf, wie Verdi am Montag mitteilte. “Mit diesem eindeutigen Votum aus der Urabstimmung werden Streiks bei Amazon in Bad Hersfeld immer wahrscheinlicher“, erklärte Verdi-Verhandlungsführer und Landesfachbereichsleiter Bernhard Schiederig. An der Urabstimmung beteiligten sich nach Gewerkschafts-Angaben 78 Prozent der Verdi-Mitglieder.
Schiederig forderte die Geschäftsführung auf, das Ergebnis der Urabstimmung ernst zu nehmen und “endlich die Tarifverhandlungen zum Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages für die Branche des Einzel- und Versandhandels“ aufzunehmen.

“Wenn die Geschäftsführung auch diese Zeichen nicht verstehen will, sind Streiks in absehbarer Zeit nicht mehr zu vermeiden.“ In Bad Hersfeld beschäftigt Amazon 3700 Mitarbeiter, in Deutschland sind es insgesamt 9000.

Die Geschäftsführung hatte in zwei bereits geführten Tarifgesprächen die Aufnahme von Tarifverhandlungen grundsätzlich abgelehnt. Verdi fordert tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhandel üblich sind. Nach Gewerkschaftsangaben verdient ein neu bei Amazon eingestellter Arbeitnehmer bis zu 9000 Euro brutto weniger im Jahr als laut Tarifvertrag im Einzel- und Versandhandel üblich sind.
In Leipzig mit seinen 1200 fest angestellten und 800 befristet Beschäftigten hatten sich bereits 97 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter für Arbeitsniederlegungen ausgesprochen. Amazon war zuletzt wegen schlechter Arbeitsbedingungen in die Schlagzeilen geraten. (Reuters.)

"Italien Reload sterben"

Der neue italienische Regierungschef hat sich mühelos das Vertrauen des Abgeordnetenhauses in Rom gesichert. Eine breite Mehrheit stellte sich hinter Enrico Letta. Doch der warnt. So wie bislang gehe es in Europa nicht weiter.

Italien will Steuern und Staatsschulden senken, Wachstumspolitik betreiben, dabei aber die Sanierung des Haushalts nicht gefährden; das Thema Arbeit sei "erste Priorität". Das sagte der neue Premier, Enrico Letta, bei seiner
ersten Regierungserklärung am Montag Nachmittag vor dem Parlament. Außerdem kündigte er eine "unverzügliche Reise nach Berlin, Brüssel und Frankfurt" an, um die Ausrichtung seiner Regierung auf Europa und deren "Traum" von der "umfassenden politischen Einigung" des Kontinents deutlich zu machen.
Schon am Dienstag soll Letta in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen werden.

Die Vertrauensabstimmung schaffte seine von einer großen Koalition getragene Regierung am Montagabend problemlos mit 453 Ja- zu 153 Neinstimmen und 17 Enthaltungen. Am Dienstag muss er sie auch in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, bestehen. Erst dann kann das neue Kabinett, fast siebzig Tage nach den Wahlen, anfangen zu arbeiten.
"Von Sanierung allein stirbt Italien", sagte der 46-jährige Sozialdemokrat Letta unter dem Beifall der Abgeordneten. "Auf europäischer Ebene" müssten Wachstumsstrategien entwickelt werden; Europa müsse sich dafür öffnen: "Wir können mit der Wachstumspolitik nicht länger warten, die Familien leiden, es wachsen soziale Konflikte und Wut." Letta spielte damit ausdrücklich auf das Attentat eines 49-jährigen Arbeitslosen an, der am Sonntag Mittag - unmittelbar vor dem Sitz des Regierungschefs im Herzen Roms - zwei Carabinieri niedergeschossen hatte. Einer von ihnen, der weit schwerere Verletzungen an der Halswirbelsäule erlitten hatte, als es zuerst schien,
schwebte am Montag noch in Lebensgefahr.
Gegen den in den vergangenen Jahren immer stärker gewachsenen Unmut der Italiener gegenüber der Politik  kündigte Letta umfangreiche Reformen an. Die staatliche Parteienfinanzierung soll "revolutioniert" werden; Minister, die gleichzeitig ein Parlamentsmandat haben und dort Diäten beziehen, müssen "sofort" auf ihr Gehalt verzichten: "Das wissen selbst meine Kabinettsmitglieder noch nicht", sagte Letta während seiner knapp
einstündigen Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. Auch kündigte er eine eigene parlamentarisch-außerparlamentarisch besetzte Kommission zur Reform der staatlichen Institutionen an, und nachdem so viele Ansätze hierzu im Hickhack der Parteien hängen geblieben seien, "werde ich selbst nach 18 Monaten überprüfen, ob wir vorangekommen sind. Falls nicht, zieht diese Regierung unverzüglich ihre Konsequenzen", versprach Letta

Für Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" die neben den aktuell führungslosen Sozialdemokraten und Mario Montis "Bürgerwahl" einer der drei Bestandteile der Großen Koalition ist, waren Lettas Worte "Musik in den
Ohren". Das sagte Parteisekretär, Vize-Premier und Innenminister Angelino Alfano. Er meinte damit vor allem Lettas Versprechen, die bei den Bürgern verhasste Immobiliensteuer mit sofortiger Wirkung auszusetzen und die für den Sommer bereits fest eingeplante "Verschärfung" der Mehrwertsteuer "zu vermeiden". Wie Letta allerdings die dann fehlenden Mittel aufbringen und die "wie ein Mühlstein auf Italien und den zukünftigen Generationen
liegenden Staatsschulden" senken will, sagte er am Montag nicht. Auch fehlte es zwar nicht an der Ankündigung eines Bürokratieabbaus, aber Letta kam mit keinem Wort auf die überfällige, auch unter Mario Monti liegengebliebene Verschlankung der öffentlichen Verwaltung zu sprechen.

Ausdrücklich forderte der neue Ministerpräsident den nationalen Zusammenhalt und die wechselseitige "Abrüstung" der bisher gegnerischen politischen Großmächte: "Vor den neuen Herausforderungen stehen wir wie
David vor Goliath. Er hat das Schwert und den Panzer beiseitegelegt, sie hätten ihn nur beschwert, und er hat sich Kiesel aus dem Bach geholt. So brauchen auch wir Mut, Vertrauen und neue Impulse aus dem Bach der
Ideen".

Merkel auf Kontrollen Steinbrück

Der Fall Hoeneß macht's möglich - die Koalition prüft jetzt eine Verschärfung der Regeln zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerbetrug. Die Opposition hat Union und FDP zum Jagen getragen.


Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel will nun doch die rechtliche Möglichkeit für Steuerhinterzieher überprüfen lassen, die sich durch eine Selbstanzeige offenbaren und damit bisher Strafverfolgung entgehen können. Hintergrund ist die Selbstanzeige des Präsidenten des FC Bayern, Uli Hoeneß, der zu Beginn des Jahres dem Finanzamt erklärt hatte, dass er Steuern auf Kapitalerträge aus in der Schweiz liegenden Mitteln nicht versteuert hat.

Hoeneß hat offenbar drei Millionen Euro Steuern nachgezahlt. Allerdings ist noch unklar, ob er trotz Selbstanzeige mit einem Strafverfahren rechnen muss.
Merkel regte am Montag in einer Parteivorstandssitzung eine Arbeitsgruppe mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), seinen Amtskollegen aus den unionsgeführten Ländern sowie Experten der Unionsfraktion im Bundestag an, wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nach der Sitzung mitteilte. Die Kommission solle Vorschläge erarbeiten, wie Steuerbetrug besser bekämpft werden kann. Eine der Fragen sei, ob die Regelung in erster Linie für Bagatellfälle angewendet werden soll. Mit einer Lösung vor der Bundestagswahl rechnet die Kanzlerin aber wohl nicht. Ihr Sprecher Steffen Seibert hatte zuvor davon gesprochen, dass niemand gesetzgeberische „Schnellschüsse“ erwarten sollte.
Führende Politiker von CDU, CSU und FDP hatten sich vergangene Woche noch gegen Forderungen der Opposition gewehrt, das in der Abgabenordnung verankerte Prinzip der Strafbefreiung bei einer Selbstanzeige abzumildern oder gar abzuschaffen. Dabei wurde unisono auf gesetzliche Initiativen der schwarz-gelben Koalition hingewiesen, die 2011 die Bedingungen für eine solche Strafbefreiung nach Selbstanzeige deutlich verschärft hatte. Dies wurde als Beleg für die Aktualität des Gesetzes gewertet. Auch der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, hatte zunächst einer Beibehaltung das Wort geredet, war später jedoch auf die Linie seines Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel eingeschwenkt, der eine Überprüfung der Strafbefreiung und Begrenzung auf „Bagatellfälle“ gefordert hatte.

Als erster namhafter Unionspolitiker hatte Ende vergangener Woche CSU-Chef Horst Seehofer die gemeinsame schwarz-gelbe Position verlassen und sich für Abschaffung der Strafbefreiung und Begrenzung auf kleinere Fälle ausgesprochen. Steinbrück hatte dies am Sonntagabend zum Anlass genommen, der Union eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode vorzuschlagen.
Für den Steuerfachmann der CDU, den stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden Michael Meister hätte eine Begrenzung der Strafbefreiung auf Fälle mit geringem finanziellen Volumen allerdings einen gravierenden Nachteil: „Damit kriminalisiert man große Teile des Mittelstandes“, sagte Meister dem Tagesspiegel und verwies insbesondere auf die Voranmeldung von Umsatzsteuerzahlungen, die Unternehmen vornehmen müssen und bei denen es regelmäßig zu Buchungsproblemen komme, die nichts mit Steuerhinterziehung zu tun hätten, aber leicht im Millionenbereich liegen könnten. Die Betroffenen müssten nach den Plänen zur Reform der Selbstanzeige unweigerlich mit Haft rechnen.

Wednesday, April 24, 2013

Motors Fehlstart ins Jahr

Die Gewinne von Daimler und VW brechen ein, Ford wird in Europa ausgebremst und Peugeot Citroën muss noch mehr sparen.

Auf dem europäischen Automarkt gibt es inzwischen für alle Anbieter nur eine Richtung: nach unten. Ob Premium- oder Volumenhersteller – am Mittwoch gaben mit Daimler, Volkswagen, PSA Peugeot Citroën und Ford gleich vier Autokonzerne Geschäftszahlen bekannt, an denen die Spuren der europäischen Absatzkrise deutlich ablesbar sind.
Mit der zweiten Gewinnwarnung binnen weniger Monate, die sich bereits auf der Hauptversammlung abgezeichnet hatte, enttäuschte Daimler einmal mehr die Erwartungen. Der Stuttgarter Konzern rechnet für 2013 nicht mehr damit, das operative Ergebnis von 8,1 Milliarden Euro aus dem Vorjahr erreichen zu können.

„In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich viele Märkte, insbesondere Westeuropa, konjunkturbedingt schlechter entwickelt als erwartet“, erklärte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Hinzu kam, dass Daimler auch in China mit Absatzproblemen kämpft.
Im Auftaktquartal 2013 verdienten die Schwaben bei einem leicht um drei Prozent auf 26,1 Milliarden Euro geschrumpftem Umsatz operativ nur noch 917 Millionen Euro, halb so viel wie vor Jahresfrist. Der Reingewinn brach um 60 Prozent auf 564 Millionen Euro ein, die operative Rendite des Konzerns schmolz um die Hälfte auf 3,5 Prozent. Besserung erhofft sich Finanzvorstand Bodo Uebber von den neuen Modellen, die 2013 auf den Markt kommen. Die Resonanz auf die seit wenigen Tagen erhältliche neue E-Klasse sei „gut“. Die neuen Kompaktwagen der A- und B-Klasse kämen ebenfalls gut bei den Kunden an.
Der Kampf um Käufer auf dem schwachen Automarkt in Europa macht auch Volkswagen zu schaffen. Gewinn und Umsatz sackten in den ersten drei Monaten des Jahres zum Teil deutlich unter die Vergleichswerte von 2012. Dennoch hält Europas größter Autobauer an seinen bisherigen Jahresprognosen fest. VW-Chef Martin Winterkorn erklärte am Mittwoch: „Die Geschäftsentwicklung des ersten Quartals war – wie erwartet – geprägt vom schwierigen konjunkturellen Umfeld. Insbesondere in Europa und nicht zuletzt auch in Deutschland haben sich die Märkte schwach entwickelt.“ Er rechne jedoch damit, „dass wir im weiteren Jahresverlauf an Fahrt aufnehmen können“. Der Umsatz sank im ersten Quartal leicht um minus 1,6 Prozent auf 46,6 Milliarden Euro – obwohl VW 4,8 Prozent mehr Autos auslieferte als vor einem Jahr. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sackte um gut ein Viertel ab auf 2,3 Milliarden Euro. Unterm Strich blieben knapp zwei Milliarden Euro – ein knappes Drittel weniger. Weil dies mehr war, als Analysten erwartet hatten, stieg die Aktie um knapp drei Prozent.
Der europäische Automarkt hinterlässt beim US-Konzern Ford ebenfalls Spuren. Im ersten Quartal musste der Hersteller hier einen Vorsteuerverlust von umgerechnet 355 Millionen Euro verkraften. Das war dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Der Ausblick sei unsicher, erklärte Ford am Konzernsitz in Dearborn. Dagegen florieren die Verkäufe in der Heimat USA. Der Konzern rechnet im Gesamtjahr in Europa weiterhin mit einem Vorsteuerverlust von um die zwei Milliarden Dollar (2012: 1,8 Milliarden Dollar).
Fords Wettbewerber General Motors machte derweil seine Ankündigung wahr, trotz der Schließung des Opel-Werks in Bochum in den Standort Deutschland zu investieren. 230 Millionen Euro steckt GM in neue Testanlagen bei der kriselnden Tochter. Die Summe verteile sich auf drei bis vier Jahre, teilte GM mit.
Im Januar hatte GM eine Kooperation bei der Fahrzeugentwicklung mit PSA Peugeot Citroën bekannt gegeben, die 600 Millionen Euro Kosten im laufenden Jahr einsparen soll. Das dürfte bei PSA nicht ausreichen. Der angeschlagene französische Autobauer erwägt nach erneuten Umsatzeinbrüchen nun doch weitere Einsparungen. Im Auftaktquartal brach der Umsatz in der Autosparte um 10,3 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro ein, im Gesamtkonzern sank er um 6,5 Prozent auf gut 13 Milliarden Euro. Die Aktie stieg dennoch zeitweise um zehn Prozent. Der Sparkurs werde honoriert, hieß es an der Börse. mit dpa, rtr

Schweiz begrenzte Einwanderung für alle Bürger der Europäischen Union

Für EU-Bürger wird der Umzug in die Schweiz schwieriger: Die Alpenrepublik begrenzt die Zuwanderung. Nicht nur für acht osteuropäische Staaten, wie es zunächst hieß, sondern für alle. Nach Einschätzung der EU begeht das Land damit Rechtsbruch.

Die Schweiz begrenzt für mindestens ein Jahr die Zuwanderung für Bürger aus den 17 alten EU-Mitgliedsländern, darunter auch aus Deutschland. Die Regierung in Bern beschloss dies am Mittwoch und begrenzte damit den Zugang zum Arbeitsmarkt für Bürger dieser Staaten. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton warf dem Land vor, ein Abkommen zu verletzen.
Bereits zuvor hatte die Alpenrepublik die Zuwanderung aus den neuen EU-Ländern - den sogenannten EU-8 - limitiert. Betroffen sind Langzeit-Aufenthaltsbewilligungen für fünf Jahre.

Für kurzzeitige Arbeitsaufnahmen soll es keine Limitierung geben. Für Rumänien und Bulgarien gelten nach Angaben der EU-Kommission eigene Übergangsregelungen.
Insgesamt soll die Zahl der Fünfjahresbewilligungen für Bürger der EU-17-Staaten zunächst für ein Jahr auf maximal 53 700 sowie für die EU-8-Staaten auf 2180 beschränkt werden. Die sogenannte Ventilklausel werde angewandt, um die Zuwanderung aus dem EU-Raum „wirtschafts- und gesellschaftsverträglich zu gestalten“, erklärte die Regierung.

Die EU reagiert enttäuscht auf die Entscheidung aus der Schweiz

Die EU reagierte enttäuscht auf die Entscheidung der Schweizer Regierung. „Die EU misst der Personenfreizügigkeit im Kontext der gesamten Beziehungen zur Schweiz eine hohe Bedeutung zu“, teilte die EU-Außenbeauftragte Ashton in Brüssel mit.

Die Ventilklausel ist in Abkommen der Schweiz mit den EU-Staaten enthalten. Voraussetzung ist, dass die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen in einem Jahr mindestens zehn Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegt.
Rechtlich bewegt sich die Schweiz nach Ansicht der EU-Außenbeauftragten auf dünnem Eis: „Die Maßnahmen, welche die Schweizer Regierung heute beschlossen hat, widersprechen dem Abkommen, da sie zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitgliedstaaten unterscheiden“, erklärte sie. (dpa)

Ein "Ja, aber ..." Von Karlsruhe nach Daten sammeln

Die Anti-Terror-Datei ist im Ganzen verfassungskonform, sagen die Verfassungsrichter. Aber einzelne Teile davon sind es nicht. Sie müssen nachgebessert werden.

Das Gesetz über die Anti-Terror-Datei muss von der Bundesregierung nachgebessert werden. Einzelne Passagen sind nicht verfassungskonform.

Was ist die Anti-Terror-Datei?
Sie ist eine sogenannte erweiterte Indexdatei. Das heißt, es werden keine neuen Daten erhoben, sondern bereits vorhandene Daten von 38 Polizei- und Geheimdienstbehörden gebündelt. Derzeit sind rund 16000 Personen darin erfasst. Gespeichert werden neben den Grunddaten (Namen, Adressen) auch Fotos der Betroffenen, besondere körperliche Merkmale, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, IP-Adressen der Computer, Bankverbindungen sowie „terrorismusrelevante Fähigkeiten“ wie Ausbildung, Beruf, Waffenbesitz, Gewaltbereitschaft, Führer- und Flugscheine sowie Daten zu besuchten Orten.

Erhält ein Nutzer der Datei einen Treffer, kann er die entsprechenden Merkmale entweder direkt ablesen oder er bekommt einen Hinweis, welche Behörde Informationen hat und kann sich mit ihr in Verbindung setzen.

Was moniert das Gericht?
Das Gericht beanstandet vor allem, dass Bürger in die Datei geraten könnten, die dort nichts zu suchen haben. Das wären Menschen, die unwissentlich Kontakt mit Unterstützern islamistischer Gewalttäter hatten. Das kann beispielsweise passieren, indem man einen Kindergarten eines Moschee-Vereins unterstützt – nicht wissend, dass der Verein bei den Sicherheitsbehörden im Verdacht steht, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen. Ein solcher Fall wurde in der mündlichen Verhandlung geschildert. Das Gericht sagt nun, dass die Folgen einer Erfassung in der Datei „erhebliche belastende Wirkung haben“ kann. Das kann die Abweisung eines Visa-Antrages sein, aber auch der Arbeitsplatzverlust, wenn die betreffende Person in einem sicherheitsrelevanten Bereich arbeitet, zum Beispiel auf einem Flughafen.

Die Richter stärkten zudem die Befugnisse der Datenschutzbeaufragten. Ihnen wird eine Art Vermittlungsrolle zugeschrieben. Sie sollen regelmäßige Kontrollen durchführen und der Staat soll ebenfalls regelmäßig Auskunft über den Datenbestand erteilen. Was regelmäßig heißt, soll der Gesetzgeber festlegen. Das Gericht schreibt ein Höchstmaß von zwei Jahren vor. Außerdem soll das Bundeskriminalamt gegenüber Parlament und Öffentlichkeit über Datenbestand und Nutzung der Datei informieren.

Das Gericht moniert auch die sogenannte Inverssuche. Dabei handelt es sich um eine merkmalsgenaue Suche. Zugrifssberechtigte können bestimmte Begriffe kombinieren, also beispielsweise Religionszugehörigkeit, Ausbildung und Ort, und sie erhalten daraufhin nicht nur Hinweise auf bestehende Akten, die sie bei einer bestimmten Behörde anfordern können, sondern sie erhalten Namen, Adressen und detailliertere Informationen von Personen, auf die die Merkmale zutreffen. Das gehe zuweit, so das Gericht. Gerechtfertigt sei dies aber bei Eilverfahren, wenn beispielsweise die unmittelbare Gefahr eines Terroranschlags bestehe. Die größten Probleme dürfte aber der folgende Punkt bereiten: Das Verfassungsgericht entschied, dass das bloße „Befürworten von Gewalt“ nicht für die Erfassung von Personen in der Anti-Terror-Datei reicht. Dieses Kriterium erhebe die „subjektive Überzeugung“ als solche zum Maßstab. Damit würden Kriterien zugrunde gelegt, die vom Einzelnen kaum beherrscht werden könnten und die man mit „rechtstreuem Verhalten“ auch nicht beeinflussen könne. Das heißt, jemand der prinzipiell Gewalt befürwortet, sich aber nichts zu Schulden kommen lassen hat, würde auch erfasst, was nach Ansicht des Gerichts nicht in Ordnung sei

Sunday, April 21, 2013

"Deutschland hat keine Krise"

Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall, spricht im Tagesspiegel-Interview über den laufenden Tarifkonflikt, Niedriglöhne und Altersarmut.

Herr Wetzel, gibt es eigentlich einen Tarifkonflikt in diesem Jahr?
Natürlich.
Die Truppen der IG Metall machen eher einen lustlosen Eindruck.

Wir sind überhaupt nicht lustlos, sondern hatten eine intensive Diskussion über die Forderungshöhe. Das nun von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist für uns indiskutabel. Verantwortungsvolle Tarifpolitik sieht anders aus. Das Angebot stellt gerade mal 1,9 Prozent effektive Erhöhung bei einer Laufzeit von 13 Monaten dar. Das ist kein Lösungsvorschlag, sondern fordert den Konflikt heraus. Wir sind bereit für diesen Konflikt.

Eine rasche Einigung sollte möglich sein, es geht diesmal nur um Geld.

Ja, aber das ist das Beste, was wir haben. Und da ’ranzukommen, ist bekanntlich nicht so einfach. Wir haben in dieser Tarifrunde nicht nur die Frage der Höhe des Abschlusses zu klären, sondern auch die Laufzeit des neuen Vertrags. Das bietet alles genügend Konfliktstoff. Das ständig im Vorfeld der Tarifrunde von den Arbeitgebern eingebrachte Thema der weiteren Flexibilisierung hat sich mit dem Angebot hoffentlich erledigt.
Den Metall- und Elektrofirmen geht es in der gesamten Breite nicht gut, das wird die IG Metall berücksichtigen müssen.

Die wirtschaftliche Lage ist sehr unterschiedlich, aber das kommt ja auch bei unserer Forderung von 5,5 Prozent zum Ausdruck. Die 5,5 Prozent sind der Mittelwert zwischen den gut und den weniger gut verdienenden Firmen.
Nach der gewerkschaftlichen Rechenlogik sollten am Ende drei Prozent stehen: Die Inflationsrate wird 2013 deutlich unter zwei Prozent liegen, die gesamtwirtschaftliche Produktivität steigt um rund ein Prozent. Macht in der Summe drei Prozent.

Ein Lohnplus zwischen 3,0 und 3,5 Prozent ist allein durch den Verteilungsspielraum begründet. Das schließt nicht aus, dass das Plus höher ausfällt.
Was ist mit den Krisenbranchen und Unternehmen wie Opel, die solche Erhöhungen nicht zahlen können?

Wir haben für diese Fälle über das Pforzheimer Abkommen vielfältige Abweichungsmöglichkeiten, die auch genutzt werden. Andere Abweichungsmöglichkeiten vom Tarif, zum Beispiel eine spätere Erhöhung oder eine geringere Sonderzahlung, wurden in der Vergangenheit kaum genutzt: 85 Prozent der Unternehmen hat das nicht interessiert, gut sieben Prozent sind nach oben und weitere sieben Prozent nach unten abgewichen. Das Instrument wird überschätzt und in der Propaganda von Gesamtmetall überhöht.
Trotzdem hat sich die IG Metall in der Vergangenheit darauf eingelassen.

Durch diese Art der Flexibilisierung steigt der Druck auf die Betriebsräte enorm. Abweichungen auf der betrieblichen Ebene dürfen deshalb künftig nicht ohne die Beteiligung der IG Metall erfolgen. Wenn Gesamtmetall über Flexibilisierung nachdenkt, dann müssen sie gleichzeitig darüber nachdenken, wie die Tarifparteien einbezogen werden. Für uns ist das ein zentraler Punkt.
Wie ist die Stimmung an der Basis? Haben die Belegschaften Angst, dass die Wirtschaftskrise in ihrem Betrieb ankommt?

Deutschland hat keine Krise. Die Stimmung ist sogar noch ein Stück besser als die Lage. Auch deshalb, weil die Jahresabschlüsse 2012, zum Beispiel bei BMW, VW oder Audi, auf Rekordniveau lagen.
2013 wird gerade auch für die Autoindustrie schwieriger.

Das wissen wir und haben dementsprechend unsere Forderung aufgestellt.
Wirkt sich der beginnende Bundestagswahlkampf auf die Tarifszene aus?

Nein. Wir wollen Pfingsten fertig sein. Von Juni an werden wir uns dann auf den Bundestagswahlkampf konzentrieren.
Mit der Kampagne gegen Altersarmut?

Wir treten nicht ausschließlich gegen Altersarmut an. Unsere Leute haben nicht nur Angst arm zu werden, sondern wir wollen die Absicherung des Lebensstandards und die Anerkennung von Lebensleistungen. Da ist Altersarmut nur eine Facette. Alles in allem ist dieses Rentenversicherungssystem so nicht zu halten.
Es funktioniert doch ganz gut.

Die Prognosen vom Anfang des Jahrtausends haben sich nicht bestätigt, deshalb sind auch die Weichenstellungen, die auf Grundlage dieser Prognose erfolgten, zu überdenken. Zum Beispiel haben die Experten für 2013 Beitragssatzsteigerungen prophezeit – tatsächlich sind die Beiträge gesunken. 2012 haben wir einen Bevölkerungszuwachs gehabt und die Sozialversicherungen kamen auf einen Überschuss von 16 Milliarden Euro, allein die Rentenversicherung auf fünf Milliarden.
Und was folgt daraus?

Wenn 45 oder 40 Jahre Arbeit nicht reichen für eine Rente oberhalb der Grundsicherung, dann verliert die Rentenpolitik und das Rentensystem die Legitimation. Es hält doch kein demokratisches System aus, wenn Altersarmut ein Massenphänomen wird.
Also hoch mit den Löhnen?

Wir brauchen gleichzeitig eine Rentenreform, um Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren. Die SPD hat sich dem Thema sehr geöffnet, und auch die CDU erkennt zunehmend die Probleme. Da kann ich mir schlecht vorstellen, dass in der nächsten Legislaturperiode nichts passiert. Ich halte es für eine der zentralen Demokratiefragen, dass die Menschen von ihrer Arbeit und später von ihrer Rente anständig leben können.
Und wenn es wieder eine schwarz-gelbe Regierung gibt?

Mit der FDP geht natürlich nichts, was vernünftig wäre.
Für eine große Reform spricht eine große Koalition.

Rot-grün ginge auch.
Ist die Rente das vorrangige Wahlkampfthema der IG Metall?

Nein. Es geht auch um gute Arbeit und anständige Bezahlung. In einem System mit einem Viertel der abhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist Altersarmut programmiert. In unserer Industrie geht es noch um die Einschränkung von Werkverträgen und altersgerechte Arbeitsplätze, damit die Menschen überhaupt bis 67 durchhalten können.
Sie haben sich abgefunden mit der Rente mit 67?

Wir halten die Rente mit 67 für falsch, aber die Situation ist, wie sie ist. Also müssen alle dazu beitragen, dass die Menschen bis 67 arbeiten können. Und wenn bestimmte Berufsgruppen wegen bestimmter Belastungen nicht bis 67 arbeiten können, dann ist die Politik gefordert.
Was schlagen Sie vor?

Die Beitragssätze der Berufsgenossenschaften und Rentenversicherten könnten schwanken: Betriebe mit einer geringen Quote an Erwerbsminderungsfällen zahlen dann weniger in die Versicherung. Wer viel tut für altersgerechte Arbeitsplätze, der wird belohnt. Oder wer besonders viele ältere Arbeitnehmer beschäftigt, der bekommt einen Bonus. Die Politik kann hier Anreize setzen.
Löst sich das Problem nicht von selbst, weil die Firmen die Alten brauchen und sie deshalb hegen und pflegen?

Nein. Alle strukturellen Trends laufen in die andere Richtung: Ausgliederung, Werkverträge, Leistungsverdichtung, psychischer Stress am Arbeitsplatz, Olympiamannschaften statt gemischte Teams mit älteren Arbeitnehmern. Dabei ist ganz klar: Rücksichtnahme auf Ältere, zum Beispiel durch kürzere Arbeitszeit und weniger Schichtarbeit, kostet Geld. Und das geben die Unternehmen nicht unbedingt freiwillig aus. Auch an dieser Stelle muss die Politik nachhelfen.
Das Gespräch führte Alfons Frese.
KARRIERE
Detlef Wetzel (60) ist seit 2007 zweiter Vorsitzender der IG Metall. Der Siegerländer hat gemeinsam mit Berthold Huber die Gewerkschaft auf Mitgliederzuwachs, Betriebspolitik und Partizipation getrimmt. Im kommenden Herbst soll Wetzel Huber an der Spitze der größten deutschen Gewerkschaft ablösen.
KONFLIKT
Für die 3,7 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie fordert die IG Metall 5,5 Prozent mehr Geld, die Arbeitgeber bieten bislang 2,3 Prozent nach zwei Nullmonaten. Ende April endet die Friedenspflicht, dann wird es Warnstreiks geben. Bis Pfingsten wollen beide Seiten einen Abschluss erreichen.

Wut später bei BER Website

Brandenburgs CDU wertet Diepgens Vermerk für Sperenberg als Ende einer SPD-Legende. Die Standortentscheidung für den Großflughafen wird mittlerweile fast einhellig als Fehler eingestuft und nun auch vom BER-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen.



Es ist lange her. Und doch sorgt der jetzt publik gewordene Fahrplan des früheren Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) aus dem Jahr 1995 für Sperenberg als Airport–Standort für Wirbel. Für Potsdams CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski platzt damit eine Legende der SPD-Regierungen Brandenburgs im Zusammenhang mit dem Pannen–Airport, der nach einer Entscheidung von Berlin, Brandenburg und dem Bund aus dem Jahr 1996 in Schönefeld errichtet wird. „Die SPD verweist immer wieder auf die CDU in Berlin, die auf Schönefeld bestanden habe. Nun kommt heraus, dass auch die Behauptung so nicht stimmt“, sagte Dombrowski am Sonntag und sprach von einem „Täuschungsmanöver.

Man könne Brandenburgs Regierung in Bezug auf den Flughafen nichts glauben.
Wie berichtet, hatten sich Diepgen und Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) am 27. Mai 1995 auf Sperenberg als Standort für den neuen Hauptstadt-Flughafen geeinigt, was ein interner Vermerk des Regierenden belegt. Für die Übergangszeit sollte Schönefeld ertüchtigt werden. Warum es nicht dazu kam, dazu gibt es konträre Erklärungen. Stolpe, der die Übereinkunft bestätigte, hat Widerstände in Berlins CDU und letztlich die mit der Volksabstimmung am 5. Mai 1996 geplatzte Länderfusion verantwortlich gemacht. Kurz danach, am 28. Mai 1996, fiel der „Konsensbeschluss“ für Schönefeld.

Die Hintergründe dieser mittlerweile fast einhellig als Fehler eingestuften Standortentscheidung hat auch der Berliner BER-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen. Der Vorsitzende Martin Delius (Pirat) wies am Sonntag auf Widersprüche der Aussage Stolpes zur Zeugenaussage Diepgens im Untersuchungausschuss hin. Dieser hatte die Absage Berlins an Sperenberg damit begründet, dass Stolpe von seiner Zusage, die Verkehrsanbindung aus der Landeskasse vorzufinanzieren, wieder abgerückt sei. Es sei 1995/96 klar gewesen, dass der Bund dazu nicht bereit war „und Brandenburg es nicht bezahlen kann“, sagte Delius. Es gibt weitere Widersprüche. Nur wenige Tage vor der Einigung mit Stolpe hatte Diepgens Senatskanzlei Sperenberg intern als „nicht vertretbar“ ausgeschlossen, etwa wegen der schlechten Verkehrsanbindung. Berlin wollte offenbar ein Desaster wie beim neuen, gerade eröffneten stadtfernen Münchener Flughafen vermeiden, der den Ruf hatte, „nur aus der Luft“ erreichbar zu sein. Und nur drei Tage nach der Einigung der Länderchefs dokumentierte die Senatskanzlei zehn konträre Positionen Brandenburgs und Berlins zum Flughafen, wollte sich im Gegensatz zur Diepgen-Zusage nicht mehr auf Sperenberg festlegen, das als spätere Option gesehen wurde.
Für den BER-Untersuchungsausschuss ist das Kapitel der Standortfrage aber jetzt abgeschlossen. „Der Rest ist Geschichte. Weitere Erkenntnisgewinne sind nicht zu erwarten“, sagte Delius. Wie dicht Historie und Gegenwart am BER zusammenliegen, zeigen die Kosten. Ein Vermerk der Senatskanzlei aus dem Jahr 1995 für Diepgen enthält die realistische Schätzung, dass ein Flughafen in Schönefeld rund 11,9 Milliarden D-Mark – also rund 5,5 Milliarden Euro – teurer würde. Zum Vergleich: Beim Start 2008 wurden offiziell die Baukosten mit 2,8 Miliarden Euro angegeben und waren 3,4 Milliarden Euro bewilligt. Bis heute flossen 4,5 Milliarden Euro in den BER, noch ohne unbezifferte Mehrausgaben der jüngsten Verschiebung.


Thursday, April 18, 2013

Berlin Beats Köln

Wie zukunftsfähig sind die größten deutschen Städte? In einer aktuellen Studie schneidet Berlin nicht schlecht ab. Mit einem funktionierenden BER könnte es sogar noch aufwärts gehen.



Berlin - Zu einem Platz unter den ersten dreien reicht es noch nicht. Doch Berlin entwickelt sich im Wettbewerb der zukunftsfähigen Städte besser als die meisten Konkurrenten. Mit Rang fünf im aktuellen Ranking des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Berenberg Bank rückt die Hauptstadt verglichen mit 2010 um drei Plätze vor. „Der Wachstumsmotor in der Hauptstadt läuft“, sagte HWWI-Chef Thomas Straubhaar bei der Vorstellung der Studie in Frankfurt am Main. „Standortvorteile wie Bildung und Innovationsfähigkeit, Internationalität und Erreichbarkeit haben sich im Ranking immer weiter verbessert.“ Er rechne damit, dass sich Berlin auch künftig unter den ersten fünf Städten wiederfinden werde.

Zugleich machte er deutlich, wo es seiner Ansicht nach hakt. „Wenn der Flughafen doch endlich mal fertig gebaut ist, wird Berlin aufzuholen beginnen.“
Zum dritten Mal in Folge holte sich Frankfurt am Main den Spitzenplatz im Vergleich der 30 größten deutschen Städte. Auch an München auf Rang zwei kam erneut keiner der Konkurrenten vorbei. Bonn verdrängte Düsseldorf auf Platz vier. Köln verlor seinen Platz an Berlin. Wenig Hoffnung haben die Forscher indes für Chemnitz. Die Stadt in Sachsen hat den letzten Platz seit der ersten Studie 2008 abonniert. Die Ränge 25 bis 29 belegen ohne Ausnahme nordrhein-westfälische Großstädte wie Dortmund, Gelsenkirchen oder Bochum. Die größten Sprünge verglichen mit 2010 machten Essen – von 21 auf zehn – und Stuttgart. Die baden-württembergische Landeshauptstadt verbesserte sich von Rang 16 auf neun.
Für die Studie verglichen die Ökonomen, wie sich etwa Produktivität, Innovationsfähigkeit, Demografie und Internationalität in den vergangenen Jahren entwickelten. Berlin verzeichnet beispielsweise mit 115 000 die größte Zahl an Zuwanderern seit 2005. Den höchsten Anteil ausländischer Studierender hat aber Seriensieger Frankfurt. Der Erfolg einer Großstadt hänge vor allem davon ab, wie der Strukturwandel gelinge, sagte Berenberg-Chef Hans-Walter Peters: hin zu mehr Dienstleistung und forschungsintensiven Industrien. Simon Frost

Frauen Stille - die wenig Gleichheit verwendet

Die Frauenquote wird nicht wahlentscheidend sein. Das sehen offenbar sogar die Ministerinnen von der Leyen, Schröder und ihre Mitstreiterinnen so. Dennoch bleibt diese Machtprobe für alle eine Niederlage.

Am Ende ging es gar nicht mehr um die Frauenquote, ob fest oder flexi, heute oder übermorgen – im Bundestag wurden am Donnerstag noch einmal die bekannten Argumente ausgetauscht, und nach der erwartbaren Debatte folgte das Ergebnis, das kommen musste: berechenbar nach den Mehrheitsverhältnissen, denen frei gewählte Abgeordnete ihre Überzeugungen unterordnen, wenn es der Fraktionszwang oder ein Parteitagsbeschluss gebieten. Die Verfassung kennt weder das eine noch das andere, sie bindet die Entscheidungsfreiheit eines jeden Parlamentsmitglieds allein an sein Gewissen. Die unterlegenen Frauen und Männer der Regierungskoalition, die den Antrag der Opposition für eine gesetzliche Quotenregelung angeblich so gerne mitgetragen hätten und nun weitere Jahre auf die Freiwilligkeit der Wirtschaft vertrauen, werden wohl auch ihr Stillhalteabkommen irgendwie mit ihrem Gewissen vereinbaren – und den gefundenen Kompromiss im bevorstehenden Wahlkampf als Erfolg verkaufen müssen.

So ist Politik.
Aber diese Machtprobe bleibt für alle Beteiligten eine Niederlage, besonders schmerzhaft für die CDU, deren erste Spitzenfrau das Parteivolk doch so flexibel wie keine andere Führungskraft vor ihr auf den Zeitgeist einzustellen weiß. Angela Merkel, die sonst so versierte Taktikerin der Macht, hätte jedes Abstimmungsergebnis über die Quote vertreten können; auch ein fraktionsübergreifendes Votum für den Gesetzentwurf von SPD und Grünen: Der große parlamentarische Konsens für die gesetzliche Frauenquote in Aufsichts- und Verwaltungsräten wäre als deutliches Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter auch in der Bevölkerung mitgetragen worden. Thema abgeräumt, Debatte beendet.

Nein, die Frauenquote wird nicht wahlentscheidend sein. Euro, Arbeit, Sicherheit: Es gibt Wichtigeres. Die Union, geschweige denn die Koalition, wäre an dieser Frage gewiss nicht zerbrochen, selbst wenn offen und heftig diskutiert worden wäre. Und offenbar sehen das die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder und die meisten ihrer Mitstreiterinnen und Unterstützer ganz genauso. Es war ihnen nicht wichtig genug. Andernfalls hätten sie mehr Mut gezeigt, mehr Demokratie gewagt.

Es hätte sie wenig gekostet, ihrem Willen zu folgen, für die politische Überzeugung und das gemeinsame Anliegen mit der Opposition einzustehen und ihre gesetzgeberische Macht als Parlamentarier zu nutzen. Stattdessen haben sich die Befürworter der gesetzlichen Quote auf ein Wahlversprechen des Unionsfraktionschefs Volker Kauder vertrösten lassen. Sie wird schon kommen, die Quote, gleich nach der Wahl, wenn wir sie gewinnen, und wenn die Wirtschaft dann nicht freiwillig Frauen vorlässt ... und wenn Worte nicht bloß Worte bleiben.
Auch so ist Politik. Manchmal sind Kompromisse eben faul. Sie werden nicht dadurch glaubwürdiger, dass man sie nachträglich noch betanzt. Niemand verlangt von Verlierern, sich über eine Niederlage zu freuen. Aber in dieser Frage hätte es gar nicht viel Mut gekostet, standhaft zu bleiben – um der Selbstachtung willen und aus Respekt vor dem Mandat des Abgeordneten. Es ist immer auf Zeit geliehen. Auch noch so strenge Partei- und Fraktionsdisziplin vermögen den Aufenthalt im Parlament nicht zu verlängern, wenn sich bei Wählern der Eindruck verfestigt, Parlamentarier lassen sich ihre Überzeugungen abkaufen. Frauen, die stillhalten, nutzen der Gleichstellungspolitik wenig.

Monday, April 15, 2013

Der Flughafen BER aber nicht zu klein: Mehdorn

Ist Berlins künftiger Flughafen doch zumindest vorerst groß genug? Das behauptet zumindest BER-Chef Hartmut Mehdorn bei einer Sitzung des BER-Sonderausschusses. Klar wurde am Montag auch: Brandenburg ist mit dem Versuch, für den Alt-Flughafen in Schönefeld ein Nachtflugverbot einzuführen, gescheitert.

Es ist eine Ansage, an der man Hartmut Mehdorn messen wird: Der künftige Hauptstadt-Flughafen in Schönefeld ist nach Einschätzung des neuen BER-Vorstandschefs bei seiner Inbetriebnahme doch nicht zu klein geplant. Der BER habe für die nächsten „vier, fünf Jahre“ noch genügend Kapazitätspuffer, erklärte Mehdorn am Montag in einer Sitzung des BER-Sonderausschusses des Brandenburger Landtages. Damit widersprach er der CDU-Opposition in Brandenburg, Gutachtern wie Dieter Faulenbach da Costa, aber auch Aussagen des BER-Technikchefs Horst Amann aus der jüngeren Zeit, die Engpässe am BER schon zu Beginn prophezeit hatten.

Nach der Sitzung deutete Mehdorn an, dass die designierte neue BER-Finanzgeschäftsführerin Heike Fölster auch seine Wunschlösung wäre. Mehdorn geht davon aus, wie er auf Anfrage signalisierte, dass es mit der Bestellung der Neuen „klappt“. Die BER-Kapazitätsdebatte ist in den vergangenen Monaten heftig geführt worden. Nun kommt von Mehdorn, der als früherer Air-Berlin-Chef auch die Erwartungen der Fluglinien bestens kennt und sich nach einigen Wochen am Flughafen ein eigenes Bild verschafft hat, Entwarnung. „Der BER kann noch eine ganze Weile wachsen.“ Mehdorn sprach sich strikt dagegen aus, den Bau zusätzlicher Abfertigungskapazitäten im Zuge der verschobenen Eröffnung vorzuziehen und deshalb möglicherweise die Inbetriebnahme zu verzögern. Er verwies darauf, dass am Flughafen Tegel heute das Vierfache der ursprünglich geplanten Passagierzahlen abgefertigt würde. „Diese Debatte würde nur vom eigentlichen Thema ablenken, nämlich den BER so schnell wie möglich zu eröffnen.“ Alles, was dies verzögere, werde der Flughafen unterlassen, betonte Mehdorn.

Er machte deutlich, dass dies auch für die nötige Sanierung der aus DDR-Zeiten stammenden Nordbahn gelten solle, obgleich die Entscheidung darüber noch nicht getroffen ist. Es sei höchste Zeit, dass die Hauptstadt-Region mit dem BER endlich einen „Superflughafen“ bekomme, beschrieb Mehdorn seinen Kurs. „Solange wir den nicht haben, ist der Standard provinziell, sieht es aus wie bei Lumpi unterm Sofa.“ Bis „Mitte des Jahres“ soll Flughafen-Technikchef Horst Amann nach Worten Mehdorns seine Bestandsaufnahme der Bau- und Technikprobleme abgeschlossen haben. Im Kern handele es sich um Probleme der Funktionalität, der komplexen, beim BER zentral geplanten Steuerung der Systeme, sagte Mehdorn. „Und alle IT-Programme der Welt haben auch mit Trial and Error zu tun.“ Neben dem Beschleunigungsprogramm „Sprint“, bei dem für jedes Problem ein Verantwortlicher eingesetzt wird, will Mehdorn auch die Baustelle aufräumen. Etwa die Containersiedlungen, die Baufirmen dort errichtet hätten, brauche keiner mehr. Beim Thema Nachtflugverbot ist Brandenburgs jetzt unter anderem am Veto Berlins mit dem Vorstoß gescheitert, am Alt-Flughafen in Schönefeld ein Nachtflugverbot wie künftig am BER einzuführen

Bisher ist ein 24-Stunden-Betrieb genehmigt, wird aber kaum praktiziert. Berlin hatte Bedenken geäußert, dass verspätete Tegel-Flieger keinen nahen Ausweich-Landeplatz mehr hätten. Nun bleibt es in Schönefeld (Alt) beim 24-Stunden-Regime. Unabhängig davon will Brandenburg am BER eine Ausweitung des Nachtflugverbots durchsetzen. Flughafen-Staatssekretär Rainer Bretschneider wollte in dem Scheitern des jetzigen Vorstoßes kein schlechtes Omen für die Verhandlungen darüber sehen. Berlin und der Bund haben aber bereits klargestellt, dass es aus ihrer Sicht keinerlei Spielraum gibt.

Thursday, April 4, 2013

Noch nicht einmal in der Nähe

Kaum ein anderes Land weckt so starke Emotionen wie die Türkei, Einmischung in innere Angelegenheiten ist im deutsch-türkischen Verhältnis längst die Regel. Doch schon bald könnten sich die Rollen vertauschen.


Türkische Regierungsvertreter und Medien regen sich darüber auf, dass türkische Reporter beim Münchner NSU-Verfahren nur auf der Warteliste stehen. Neue Verstimmungen zeichnen sich im Fall des mutmaßlichen Alexanderplatz-Schlägers Onur U. ab, der sich nach der tödlichen Prügelattacke auf Jonny K. im vergangenen Jahr in die Türkei abgesetzt hatte und nun dort – und nicht in Berlin – von der Justiz ins Visier genommen werden soll. Etwas abseits der Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit gehen unterdessen die Verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK weiter.
 Wenn die PKK den Kampf gegen Ankara endgültig einstellen sollte, könnte sich das indirekt auch auf Deutschland auswirken, wo die Kurdenrebellen besonders in der illegalen Geldbeschaffung recht aktiv sind.
In diesen Tagen wird ganz besonders deutlich, dass im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei die gewöhnliche Grenzziehung zwischen Innen- und Außenpolitik aufgehoben ist. Jeder türkische Politiker, der etwas auf sich hält, will dem eigenen Publikum zeigen, dass er für die Landsleute in Europa und besonders in Deutschland einsteht – deshalb zieht der für die Auslandstürken zuständige Vizepremier Bekir Bozdag zurzeit wegen des NSU-Streits und nach Wohnungsbränden bei Deutschtürken vom Leder, dass es nur so staubt. Umgekehrt erscheint es konservativen Politikern in der Bundesrepublik ratsam, ab und zu die angebliche orientalische Europa-Unfähigkeit der Türkei hervorzuheben, um die eigenen Leute bei Laune zu halten. Kaum ein anderes Land weckt so starke Emotionen. Einmischung in innere Angelegenheiten? Im deutsch-türkischen Verhältnis ist das längst die Regel, nicht die Ausnahme.
Man mag diese enge Verflechtung und die ungebetenen Ratschläge der jeweiligen Gegenseite beklagen, doch Politiker, Medien und Öffentlichkeit werden damit weiterleben müssen. Das gilt nicht nur im Moment und nicht nur für das Verfahren in München: Man darf gespannt sein, was deutsche Politiker sagen würden, wenn ein Provinzgericht in der Türkei eines Tages auf die Idee kommen sollte, deutsche Medienvertreter und Diplomaten wegen Platzmangels im Verhandlungssaal vom Prozess gegen den mutmaßlichen Schläger Onur U. auszuschließen.

Facebook will nach Hause auf Smartphones werden

Das mobile Geschäft gewinnt für Facebook an Bedeutung. Nun will Mark Zuckerberg sein soziales Netzwerk zur Startseite auf Smartphones machen.

Berlin - Ein Smartphone ist für ihn nur Mittel zum Zweck. „Wir bauen kein Telefon“, sagt Facebook-Chef Mark Zuckerberg. „Wie wäre es, wenn ein Handy nicht um Apps herum aufgebaut ist, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt?“ Mit Facebook Home glaubt das soziale Netzwerk die Antwort gefunden zu haben. Am Donnerstagabend stellte Zuckerberg die Anwendung am Firmensitz im kalifornischen Menlo Park vor. Mit dem Programm soll Facebook praktisch zur Startseite auf Smartphones werden: Der Nutzer sieht dort Neues aus seinem Freundeskreis, kann Fotos direkt kommentieren und Nachrichten beantworten. Selbst wenn er in eine andere App wechselt, bleiben die Facebook-Funktionen am Bildschirmrand sichtbar.
 Facebook reagiert damit auf die stetig wachsende Zahl seiner gut eine Milliarde Mitglieder, die das Netzwerk über mobile Geräte nutzen. Da sich das Unternehmen über Werbung finanziert, muss es auf diesen Trend reagieren, um weiterhin für Werbekunden attraktiv zu sein. Die Reaktionen der Nutzer, die der Videopräsentation folgten, fielen nicht zuletzt deshalb gemischt aus. Neben viel Lob gab es auch durch aus ironische Stimmen wie die von Facebook-User Ivan Keung: „Und so bewegst du dich durch die schöne Home Seite mit tollen Updates ... und landest auf einer Anzeige.“
Die neue Software soll es zunächst für das führende Smartphone-Betriebssystem Android geben – ab dem 12. April im Google-Shop. Zudem stellte der taiwanische Hersteller HTC ein Touchscreen-Handy vor, bei dem die Software bereits vorinstalliert ist. Bei Anlegern kam die Neuvorstellung des sozialen Netzwerks gut an. Die Aktie legte an der Technologiebörse Nasdaq zwischenzeitlich um rund drei Prozent zu. Simon Frost

 

Pläne zum Schaft Architekt und Berliner Teilung Alex

Die Kritik des Stararchitekten Kollhoff spaltet die Architektenschaft in Berlin: Die einen bemängeln knappe Budgets, andere wollen nicht die von Kollhoff favorisierte historisierende Bebauung. Für Fußgänger könnten die Pläne aber noch ganz andere Probleme bringen.



Es ist der erste von zehn 150 Meter hohen Türmen, die Berlins neue Stadtkrone bilden sollen. Und der Neubau wird nicht wie sonst üblich als Hotel oder Bürohaus genutzt, sondern zum Wohnen. Freude über die Pläne am Alexanderplatz will bei vielen trotzdem nicht aufkommen. Vielmehr löst das Projekt des weltweit tätigen US-Entwicklers Hines eine Debatte über die mäßige Qualität der Berliner Architektur aus. Hines reloaded: denn der Immobilien-Multi hat bereits das benachbarte „Alexa“ entworfen – und dessen Anblick hatte vor Jahren den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit entsetzt.
Wie berichtet beschimpft Stararchitekt Hans Kollhoff die Neubauten am Alexanderplatz als „Billigheimer“.
Vor allem aber die Veränderung der Bebauungspläne auf Betreiben des Entwicklers und die Verwässerung des von Kollhoff entwickelten und vom Senat beschlossenen Masterplans für den Alexanderplatz lässt Kollhoff um die Aufenthaltsqualität am Alexanderplatz fürchten.
Rainer Hascher, Architekt mit Lehrstuhl an der Technischen Universität, kann die Kritik verstehen. Er führt den Verlust an Baukultur auf die Veränderung des Bauherrn-Typus zurück. Hätten in früheren Jahrzehnten Unternehmer oder Konzerne Warenhäuser oder Zentralen noch für den eigenen Bedarf gebaut, strebten Entwickler wie Hines heute eine maximale Rendite durch den Bau und Verkauf eines „Projektes“ an. Das setzte minimale Kosten voraus. „Und weil die Städte Investitionen brauchen, sind sie erpressbar geworden“, sagt Hascher. Änderungen an Baugenehmigungen oder Masterpläne auf Betreiben von Entwicklern seien keine Seltenheit. Ist also Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zu schwach und schuld an der Misere? Hascher winkt ab: „Sie macht eine gute Figur, jede Großbaustelle ist halt ein einziger Machtkampf.“
Allerdings nennt Matthias Sauerbruch, Architekt des GSW-Hochhauses, den Kampf um gute Architektur bei knappen Budgets „unser täglich Brot“. Da sei jeder Architekt gefragt – und keiner sollte sich wie Kollhoff schmollend zurückziehen. Hinzu komme am Alex, dass die Entwickler hohe Grundstückspreise bezahlt hätten. Wirtschaftliche Logik zwinge sie, viel und hoch zu bauen. Dieses Dilemma habe Kollhoff durch die Dichte in seinem Masterplan selbst geschaffen. Man könne aber nicht Großstadt haben, ohne deren Nachteile akzeptieren zu wollen.
Die Architekten Barkow-Leibinger haben den vor kurzem erst eröffneten Total- Tower entwickelt. Masterpläne, sagt Regine Leibinger, dürften kein allzu enges Korsett bilden – erst recht nicht, wenn der Plan wie am Alexanderplatz rund 20 Jahre alt ist. Während damals Büroflächen nachgefragt wurden, fehle es heute an Wohnungen. Auch sei die Zeit über die Bilder des klassischen Städtebaus aus den USA der 30 Jahre, der seinerzeit den Masterplan für den Alexanderplatz prägte, hinweggegangen. Dass sich Entwickler Hines daran nicht halten wolle, sei verständlich.  
Wolfgang Schuster, Vorstandsmitglied des Berliner Architekten- und Ingenieurvereins, findet die Grundidee von Kollhoffs Masterplan gut. Für übertrieben hält er aber, dass alle Türme am Alexanderplatz immer aus der Mitte ihres Sockelgebäudes herausragen müssten. Diese „historisierende Tradition ist bei uns nicht verankert“, sagt Schuster. Und getrennte Eingänge für die Kaufhaus- und Restaurantbesucher des Sockelblocks und die Bewohner des Turmes hätten durchaus Vorzüge.
Eher noch könnten Fallwinde und Zugluft die Bürgersteige am Fuß der Türme in unwirtliche Orte verwandeln. „Windstudien sollten für ein Areal wie dieses auf jeden Fall erstellt werden“, sagt Rainer Hascher von der TU. Gemessen an den Bausummen seien die Kosten solcher Studien lächerlich. Doch Hascher weiß aus eigenen Bauvorhaben, dass „Auftraggeber an jedem Cent sparen“.Architektin Theresa Keilhacker sagt: „Der Investor nutzt seinen Spielraum nur aus.“ In Berlin gebe es seit Anfang der 1990er Jahre eben „sehr investorenfreundliche Bebauungspläne“. Und ihr Kollege Sauerbruch fügt hinzu: „Wir müssen in Berlin doch froh sein, wenn überhaupt investiert wird.“

Monday, April 1, 2013

Vorstandsmitglied Rail Hedderich in einem Interview: "Wir für jeden Zug zu kämpfen

Alexander Hedderich, Chef der Güterzugsparte der Deutschen Bahn, spricht im Interview über die Energiewende, die Konkurrenz, Stuttgart 21 und den Schienenlärm.

Alexander Hedderich (47) leitet seit 2009 bei der Deutschen Bahn die Güterzugsparte DB Schenker Rail. Seit 1999 hat der Diplom-Volkswirt bei dem Staatskonzern unter anderem als Wettbewerbsbeauftragter und oberster Stratege gearbeitet. Er gilt als einer der führenden Köpfe hinter dem Börsengang, der 2008 nur wenige Tage vor dem geplanten Termin abgesagt werden musste.

DAS GESCHÄFT
Mehr als 32 000 Menschen arbeiten heute europaweit für DB Schenker Rail. Das
Unternehmen ist in
15 Ländern aktiv und verfügt mit mehr als 100 000 Güterwagen und gut 3500 Lokomotiven über den größten Fuhrpark auf dem Kontinent.

Angesichts des hohen Kapitaleinsatzes gilt die Sparte aber als anfällig für Konjunkturschwankungen. brö

Herr Hedderich, der Bahn-Konzern erzielt einen Rekordgewinn, aber Ihre Güterbahn schafft nur eine schwarze Null. Warum?
Das ist der Gewinn in Deutschland. Mit allen unseren europäischen Gesellschaften haben wir 2012 knapp 90 Millionen Euro eingefahren, rund 50 Millionen zum Beispiel in Großbritannien.
Eine Ertragsperle ist Schenker Rail trotzdem nicht.
Ich habe einen anderen Blick darauf: Bisher ging es für uns bergauf, wenn die Konjunktur gut lief und bergab, wenn die Wirtschaft stockte. Diesen Trend haben wir durchbrochen, allein in Deutschland haben wir das Ergebnis um 80 Millionen Euro verbessert. Schließlich ist der Transportmarkt in Europa seit Ende 2011 geschrumpft, auch für den Straßengüterverkehr. Bei DB Schenker Rail gab es 2012 den zweitgrößten Rückgang an transportierten Gütern in der Unternehmensgeschichte. Zugleich hatten wir die vierthöchste Ergebnissteigerung. Trotz des Gegenwinds von der Konjunktur haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht.
Die Politik will möglichst viel Verkehr auf die Schiene holen. Woran scheitert das?
Das Spiel ist nicht verloren. Doch gerade in einem Abschwung ist das Geschäft schwierig. Lokomotiven, Waggons und Anlagen verursachen auch Kosten, wenn die Wirtschaft nicht so viele Transporte bestellt. Wir müssen aber gerüstet sein für den Zeitpunkt, wo das Wachstum wieder anzieht. Das ist die Herausforderung. Auf lange Sicht ist der Schienengüterverkehr ein Wachstumsgeschäft, ich rechne hierzulande mit einem durchschnittlichen Plus von drei Prozent im Jahr. Allerdings kalkulieren wir zunehmende Schwankungen ein.
Reicht das, um den LKW zu überholen?
Die Schiene ist seit 2002 stärker gewachsen als der Gesamtmarkt. 2002 hatte die Schiene einen Marktanteil von 14,6 Prozent am deutschen Transportmarkt, 2012 waren es 17,2 Prozent. Der Trend hat sich gedreht – und das trotz der stark gestiegenen Preise für Energie, Trassen und Personal.
Die Bahn ist zu langsam, zu unflexibel, zu unzuverlässig, lästert die Wirtschaft.
Natürlich gibt es Bereiche, in denen wir besser werden können. Mitunter stoßen wir aber an Systemgrenzen. Etwa letzten Sommer beim Nord-Süd-Transport: Von den drei Trassen – über den Brenner, den Gotthard und den Lötschberg – waren zeitweise zwei wegen eines Erdrutsches und Bauarbeiten geschlossen. Der Lkw kann eine kleine Nebenstraße nehmen, der Zug hat nicht so viele Alternativen.
Ist die Schiene nicht schon an ihrer Leistungsgrenze, etwa entlang des Rheins?
Nein. In diesem Jahrzehnt wird das Wachstum des Güterverkehrs nicht an der Infrastruktur scheitern. Diese Frage könnte sich nach 2020 stellen. Das eigentliche Problem für das Wachstum ist die immer noch zunehmende Kostenbelastung.
Die Bahn hat gerade beschlossen, zwei Milliarden Euro ihres Geldes in Stuttgart 21 zu stecken. Das muss Sie doch ärgern.
Mit unserer europäischen Ausrichtung bei DB Schenker Rail können wir sehr gut einschätzen, dass die Infrastruktur in Deutschland am besten ist. Projekte wie Stuttgart 21 schaffen auch Kapazität für den Schienengüterverkehr.
Werden Sie den Sparkurs verschärfen?
Durch unserem „Aktionsplan Deutschland“ haben wir großen Erfolg gehabt und sind trotzdem bereit für den Aufschwung. Wir wollen – aus Kundensicht – die beste Güterbahn in Europa sein. Es geht darum, Effizienz und Produktivität zu erhöhen und an der Qualität zu arbeiten.
Planen Sie auch Personalabbau?
Wir haben derzeit mehr Kolleginnen und Kollegen an Bord als für das Geschäft nötig. Trotzdem bauen wir kein Personal ab – wegen der Demografie: Über die Hälfte der Belegschaft ist älter als 50. Bei einer Sanierung würden wir die Jungen aus der Firma treiben, das wollen wir nicht. Deshalb bilden wir überdurchschnittlich aus und bieten allen Auszubildenden eine Übernahme an, die das wollen und entsprechende Leistungen zeigen.
Sie verschrotten weitere Güterwagen?
Das heißt zuerst, dass wir unsere Flotte besser managen. Bislang lief ein Güterwagen im Jahr durchschnittlich 30 000 Kilometer, die Hälfte davon unbeladen. Nun setzen wir Güterwagen zum Teil in unseren osteuropäischen Gesellschaften ein, wo sich das Geschäft sehr gut entwickelt, und wir trennen uns weiter von alten Exemplaren.
Ihre Konkurrenten haben schon fast 30 Prozent Marktanteil. Was machen die besser?
Deutschland ist das zentrale Transitland für Bahn-Transporte, jede vierte Eisenbahn-Bewegung in Europa findet hierzulande statt. Auf diesem Markt muss man sein. DB Schenker Rail hat in den vergangenen Jahren jeweils etwa 1,5 Prozent Marktanteil verloren. In anderen Industrien war es nach einer Liberalisierung viel mehr. Wir kämpfen um jeden Kunden und jeden Zug. Übrigens handelt es sich bei unseren Konkurrenten oft nicht um kleine Privatfirmen, sondern um Töchter europäischer Staatsbahnen.
Die Wettbewerber vermiesen Ihnen vor allem bei den lukrativen Ganzzügen das Geschäft. Ist es rentabel, aufwendig zusammengestellte Einzelwagenzüge zu fahren?
Der Einzelwagenverkehr ist die Königsdisziplin im Schienengüterverkehr. Für uns ist es das Kerngeschäft, das wir mit unseren Partnern in der Allianz Xrail in Europa voranbringen wollen. Einen Kohle-Ganzzug von einem Hafen zu einem Kraftwerk zu fahren, ist nicht die Kunst. Dutzende Wagen bei Kunden zu sammeln, sie zu bündeln und am Ende an die Bestimmungsorte zu verteilen und damit noch Geld zu verdienen dagegen schon.
Die Bundesregierung will die Ausnahmen der Schiene beim Ökostrom kassieren. Was würde das für Sie bedeuten?
DB Schenker Rail fährt mehr als 90 Prozent seiner Leistung in Deutschland elektrisch. Wenn wir eine Energiewende wollen, brauchen wir zugleich eine Verkehrswende. Mit einer Energiewende, die die Elektromobilität verteuert, wird das nichts.
Welche Mehrkosten kämen auf Sie zu, wenn es bei den Plänen von Umweltminister Peter Altmaier bliebe?
Die Diskussion ist ja noch nicht zu Ende. Wenn alle potenziellen Risiken aus dem EEG einträten, könnte auf die Schiene eine Mehrbelastung von fast 500 Millionen Euro zukommen.
Müssen Sie dann die Preise anheben?
Am Ende des Tages bleibt nichts anderes übrig. Die Produktivität versuchen wir ohnehin zu steigern. Höhere Kosten werden zu Lasten von Investitionen und Verkehrsmenge gehen.
Sie fahren auch Güterzüge nach Asien. Ist das ein Nischenprodukt, oder steckt darin Potenzial?
Das Produkt hat Zukunft, das zeigen etwa die Verkehre für BMW nach China. Die Wirtschaftlichkeit hängt allerdings stark von der Entwicklung der Frachtraten der Schiffe ab: Sind sie hoch, wird die Eisenbahn ein ernst zu nehmender Konkurrent auf dieser Strecke. Schwere und wertvolle Güter wie Laptops oder Autoteile sind prädestiniert für die Bahn. Weil Züge schneller sind, können diese Waren dann drei Wochen früher verkauft werden.
Wenn die Bahn eine stärkere Rolle spielen soll, müssen Sie noch das Thema Lärm in den Griff bekommen.
Das ist die große Herausforderung für die Branche. Die Deutsche Bahn will den Schienenlärm bis zum Jahr 2020 um die Hälfte reduzieren. Derzeit werden jeden Tag zwei Wagen auf neue, leise Bremsen umgerüstet.
Dann wird es noch lange dauern, bis Sie am Ziel sind.
7500 Wagen, also alle neu gekauften, haben schon eine leise Bremse. Wir setzen jetzt auf eine neue Technik, bei der ein Umbau günstiger ist. Mitte des Jahres soll es für diese Bremse eine Genehmigung geben. DB Schenker Rail wird dann so schnell wie möglich umrüsten.
Wie kann man das beschleunigen?
Jede Kostensteigerung bremst die Güterbahnen. Deshalb darf die Branche nicht alleine gelassen werden. Der Staat sollte Fördermöglichkeiten prüfen und anpassen.
Sie wollen mehr Geld vom Staat?
Im Moment will der Bund Zuschüsse zur Umrüstung leisten, dieses Geld aber aus dem Topf für die Infrastrukturfinanzierung umschichten. Es geht um knapp 140 Millionen Euro. Ich würde mir deutlich mehr wünschen. Das Thema Lärmschutz eignet sich auch gut für eine EU-Förderung.
Durch einige Dörfer am Rhein rollt alle vier Minuten ein Güterzug. Müssen diese Menschen im Sinne der Verkehrswende einfach damit leben?
Die Lärm-Grenzwerte müssen eingehalten werden. Aber das Thema bleibt Teil unserer Gesellschaft. Lärm innerhalb festgelegter Grenzen muss eine Gesellschaft aushalten, die sich als Industrienation versteht.
Das Interview führte Carsten Brönstrup

Gibt es noch Hoffnung Eskalation?

Nordkorea droht mit einem atomaren Angriff, die USA schicken Kampfflugzeuge nach Südkorea. Gibt es in diesem Konflikt noch eine Chance auf Deeskalation?

Am Montagmorgen sind 853 Südkoreaner nach Nordkorea aufgebrochen trotz der aktuellen Eskalation auf der koreanischen Halbinsel. Sie arbeiten in dem von beiden Ländern betriebenen Industriekomplex Kaesong, der nördlich der entmilitarisierten Zone liegt. Viele von ihnen kehren erst am Ende der Woche zurück. „Meine größte Sorge ist es, im Norden festgenommen zu werden, wenn Pjöngjang sich tatsächlich dazu entschließt, die Industriezone zu schließen“, sagte ein Arbeiter der südkoreanischen Nachrichtenagentur „Yonhap“. Genau damit hatte Nordkorea am Wochenende gedroht, es aber zumindest am Montag noch nicht in die Tat umgesetzt. Was die Hoffnung nährt, dass die Situation nicht weiter eskaliert.

Der Status der Industriezone Kaesong ist ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit nordkoreanischer Drohungen. Das Kappen der direkten Kommunikationsverbindung zum Süden hat sich Nordkorea noch ohne Folgen leisten können. Das Schließen der gemeinsamen Industriezone aber käme teuer für das verarmte nordkoreanische Regime, das damit rund 100 Millionen Dollar pro Jahr einnimmt. Von der Umsetzung der militärischen Drohungen, gar eines atomaren Angriffs gegenüber Südkorea und den USA, ganz zu schweigen. Südkoreas neue Präsidentin Park Geun-hye hat schon eine „starke und sofortige Vergeltung“ auf einen nordkoreanischen Angriff angekündigt. Ein zweiter Korea-Krieg aber, da sind sich viele Experten einig, würde das Ende des nordkoreanischen Regimes bedeuten.

Natürlich könnte Nordkorea mit einem Verzicht auf atomare Bewaffnung den Konflikt lösen. Doch das liegt offenbar nicht im Interesse des neuen Diktators Kim Jong Un. Genau das Gegenteil ist der Fall, das Zentralkomitee der herrschenden Arbeiterpartei hat am Sonntag die neue „Byungjin-Leitlinie“ verabschiedet und damit die gleichzeitige Entwicklung von Atomwaffen und Wirtschaft beschlossen. In diesem Sinne ist auch die Abberufung des Ministerpräsidenten Choe Yong Rim am Montag zu verstehen. Sein Nachfolger Pak Pong Ju, der diesen Posten von 2003 bis 2007 inne hatte, gilt als Wirtschaftsfachmann, der die dringend benötigte Reformen vorantreiben kann. Die martialische Kriegsrhetorik aber dürfte zum einen zur Absicherung nach innen dienen. Und ein Versuch sein, die USA zu Verhandlungen über einen Friedensvertrag zu zwingen.


Könnte die neue Regelung werden der alte Flughafen



BER-Chef Hartmut Mehdorn will angeblich die Flughafenplaner GMP wieder ins Team holen. Klaus Wowereit hatte ihnen vor einem Jahr gekündigt. Was bedeutet das?

Noch Mitte Januar warf die Flughafengesellschaft dem Architektenbüro Gerkan, Marg und Partner (GMP) vor, ihre „unzureichende Planungsarbeit“ sei der Hauptgrund „für das Chaos“ auf der Baustelle des künftigen Großflughafens BER in Schönefeld gewesen. Doch nun, unter dem neuen Flughafenchef Hartmut Mehdorn, gehen beide heftig zerstrittenen Seiten offenbar wieder aufeinander zu. Mehdorn erwägt, die im Mai 2012 von der Flughafengesellschaft gekündigten Generalplaner des BER wieder zurückzuholen, um so ihre Fachkenntnis im Interesse eines beschleunigten Baufortschritts zu nutzen.
Welche Aufgaben erfüllte das GMP-Büro und warum kam der Rauswurf?
Das renommierte Architekturbüro des Berliner Stararchitekten Meinhard von Gerkan hat den neuen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) als „Generalplaner“ entworfen. Zusätzlich hatten die Architekten auch die Generalüberwachung der Bauausführung übernommen. Doch im Mai vergangenen Jahres machte die Flughafengesellschaft die GMP-Planer für die geplatzten Eröffnungstermine des BER verantwortlich und kündigte sie von einem Tag auf den anderen. Die „Generalplanerleistung“ sei eine der „entscheidenden Schwachstellen“ am Flughafenbau, erklärte der Aufsichtsrat unter seinem damaligen Vorsitzenden, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die Architekten hätten zu spät darauf hingewiesen, dass der geplante Eröffnungstermin am 3. Juni nicht mehr zu halten sei.

Zugleich reichte die Flughafengesellschaft eine Klage gegen Gerkan, Marg und Partner ein, das Büro soll entstandene Schäden in Höhe von 80 Millionen Euro ersetzen. Seither verkehrten beide Seiten nurmehr auf juristischer Ebene miteinander. Anfang dieses Jahres erhob das Büro Gerkan dann seinerseits heftige Vorwürfe gegen die frühere Chefetage der Flughafengesellschaft unter dem inzwischen gekündigten Geschäftsführer Rainer Schwarz. Mit zahlreichen Änderungswünschen habe die Gesellschaft den Bauablauf „regelrecht zerschossen“, beantworten Gerkans Anwälte die Klage der Flughafengesellschaft. Bis Mai 2012 hätten insgesamt 286 Änderungsanträge die Baustelle „fortdauernd behindert“.
Wie realistisch ist eine Rückkehr der gekündigten Generalplaner?
Hartmut Mehdorn und Meinhard von Gerkan sind alte Bekannte. Sie haben schon den vom GMP-Büro geplanten Bau des Berliner Hauptbahnhofs mit allen Höhen und Tiefen gemeinsam durchgestanden – und sind dort auch heftig aneinandergeraten. Dabei ging es um eine Gewölbekonstruktion im Untergeschoss, die entgegen Gerkans Entwurf als Flachdecke ausgeführt wurde. Und es ging um das um 100 Meter verkürzte Glasdach über den obersten Bahnsteigen. Doch schließlich einigte man sich auf Kompromisse und Mehdorn lobte zur Eröffnung: „An den großen Leistungen von Herrn Gerkan hatte ich nie Zweifel.“

Widerstand gegen die Rückkehr des Architekturbüros GMP dürfte allerdings aus dem Senat, besonders vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit kommen, da dieser den Architekten mehrfach mangelhafte Arbeit vorgeworfen hat. Sollten sie nun künftig wieder am BER mitarbeiten, käme dies einem Eingeständnis gleich. Es könnte der Eindruck entstehen, dass der BER-Aufsichtsrat unter Wowereit bei der Kündigung angesichts der peinlichen Terminverschiebungen vorschnell ein Bauernopfer gesucht hat, um politisch handlungsfähig zu erscheinen.

Das Büro Gerkan war am Montag nicht zu erreichen. Bereits im Februar hatten aber die verantwortlichen Architekten des Büros für den Hauptstadtflughafen, Hubert Nienhoff und Hans Joachim Paap, gegenüber dem Tagesspiegel erklärt, man könne sich eine Zusammenarbeit mit der Flughafengesellschaft nur vorstellen, wenn das Schwarze-Peter-Spiel ein Ende habe.

Smoke Pflicht Widerstand bröckelt

Die Feuerwehr fordert sie seit Jahren und verweist auf deutliche Statistiken, das Land Brandenburg hat die Pflicht für Rauchmelder nun beschlossen. Jetzt überdenkt auch der Berliner Senat seine bisherige kategorische Ablehnung.


Die Berliner Bauverwaltung gibt ihre Blockadehaltung gegen Rauchmelder offensichtlich auf. „Wir denken über eine Pflicht nach“, sagte eine Sprecherin von Bausenator Michael Müller (SPD) am Ostermontag. Berlin ist eines der wenigen Bundesländer, in denen die Lebensretter noch nicht vorgeschrieben sind, weil die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kategorisch gegen ein Gesetz war. Seit Montag gilt ein entsprechendes Gesetz in Nordrhein-Westfalen; Brandenburg hat gerade eine Rauchmelderpflicht zum 1. Januar 2014 beschlossen.

Die Bauverwaltung hatte bislang, wie berichtet, die Geräte wegen der hohen Kosten abgelehnt – schließlich hat Berlin immer noch knapp 300 000 landeseigene Wohnungen. Die Berliner Feuerwehr fordert seit zwölf Jahren immer wieder eine gesetzliche Pflicht. Landesbranddirektor Wilfried Gräfling sagte jetzt, dass 70 Prozent der Brandopfer nachts ums Leben kamen. 80 bis 90 Prozent davon seien Rauchtote. Die Gefahr des Qualms wird vielfach unterschätzt, wenige Atemzüge reichen aus, um einen Menschen zu töten. Im Schlaf bemerkt man nicht einmal den Brand. Der durchdringende Signalton der Geräte wecke Schlafende rechtzeitig, wirbt die Feuerwehr.
Nach Angaben der technischen Prüfgesellschaft Dekra sinkt die Zahl der Todesopfer, wenn Rauchmelder Vorschrift sind. So sei in den USA und Großbritannien die Zahl der Brandtoten seit Einführung der Rauchmelderpflicht um 40 Prozent zurückgegangen. Dort gibt es die Geräte in 90 Prozent der Wohnungen. In Schweden sind 70 Prozent der Haushalte ausgestattet, dort sank die Zahl der Toten um 50 Prozent, berichtete der Berliner Dekra-Chef Mario Schwarz.

Auch in Berlin ist die Zahl der Brandtoten zurückgegangen, vermutlich auch weil viele Menschen in den letzten Jahren freiwillig die kleinen Geräte unter die Zimmerdecke geschraubt haben. Bis zum Jahr 2005 waren es jährlich mehr als 40 Tote, 2006 war die Zahl schlagartig auf 32 gesunken und hat sich seitdem auf 30 pro Jahr eingependelt. Wieso die Zahl einmal so kräftig sank und seitdem stagniert, ist unklar. Denn die Zahl der Rauchmelder ist auf freiwilliger Basis eher kontinuierlich gestiegen. Die Feuerwehr schätzt, dass 25 Prozent der Berliner Rauchmelder installiert haben. Da wo es besonders oft brennt – bei sehr alten Menschen, sozial Schwachen oder Trinkern – könne nur ein Gesetz helfen.
Schon vor Jahren hatte der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sich für ein Gesetz ausgesprochen, war aber bei Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer abgeblitzt. Nachfolger Frank Henkel scheint da beim neuen Bausenator Müller mehr Glück zu haben. „Die Position wird überdacht“, sagte Müllers Sprecherin. Einen Zeitplan gibt es aber nicht. Man müsse noch mit Brandenburg sprechen, weil ohnehin die Bauordnungen beider Länder angeglichen werden sollen. In Brandenburg klingt das ganz anders: „Im Rahmen der Harmonisierung des Bauordnungsrechts“ sei die Rauchmelderpflicht beschlossen worden, hatte das Ministerium für Infrastruktur im Februar verlauten lassen. Wieso Berlin jetzt noch mit Brandenburg über die Bauordnung sprechen wolle, sagte die Sprecherin von Senator Müller nicht.
Ab 2014 müssen in Brandenburg alle Neubauten mit Rauchmeldern ausgerüstet werden. Bestehende Wohnungen müssen bis Ende 2020 nachgerüstet werden. Baden-Württemberg hat vor einer Woche ebenfalls ein Gesetz verabschiedet. In Deutschland fehlen jetzt nur noch Sachsen und Berlin.