Tuesday, September 24, 2013

Berlin hängt von jedem



Die Hauptstadt ist bundesweit Spitze beim Wachstum. Auch für die nächsten Monate sieht es gut aus.

Berlin - Das sonst so starke Bayern schafft es nur bis ins Mittelfeld, Baden-Württemberg schneidet noch schlechter ab – mit einem Minuswert. Ein Schwergewicht wie Nordrhein-Westfalen steht sogar ausgesprochen schlecht da. Und Berlin? Die Hauptstadt erreicht den Spitzenplatz, zusammen mit Hamburg.
Das ist überraschend – denn es geht ums Wirtschaftswachstum. Im ersten Halbjahr stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Berlin um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. So gut schnitt kein anderes Bundesland ab, wie das Statistikamt Berlin-Brandenburg am Dienstag mitteilte. Entsprechend war die Entwicklung in den alten Ländern (minus 0,3 Prozent) und in den neuen Ländern (minus 1,0 Prozent) weitaus dürftiger.

Bereits 2012 hatte Berlin die übrigen Länder beim BIP überflügelt. „Berlin hat seinen Wachstumskurs trotz international schwieriger konjunktureller Lage beibehalten“, freute sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). „Dies bestätigt die hohe Wettbewerbsfähigkeit unserer hiesigen Unternehmen.“
Erneut war vor allem der Dienstleistungsbereich die Stütze des Aufschwungs in Berlin – also Handel, Verkehr, Gastgewerbe sowie Unternehmensdienstleister. Acht von zehn in der Stadt erwirtschafteten Euro gehen auf das Konto dieser Branchen. Dieses Plus glich das Minus aus, das die Industrie und der Bau im ersten Halbjahr melden mussten.
Auch für den Rest des Jahres ist Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) zuversichtlich. Bei den Dienstleistungen werde es weiterhin „robustes Wachstum“ geben, Tourismus, Gesundheitswirtschaft oder die Informations- und Kommunikationstechnologien entwickelten sich positiv, sagte sie dem Tagesspiegel. „In der Industrie ist die Lage noch gedämpft. Hellt sich das außenwirtschaftliche Umfeld wieder auf und legen die Investitionen zu, dürften auch von Berlins Industrie weitere Impulse ausgehen." Für das Gesamtjahr rechnet Yzer mit einem Plus von rund 1,2 Prozent.
Auch die gesamte deutsche Wirtschaft rechnet mit besseren Zeiten. Der Ifo-Index, der die Stimmung der Unternehmen abbildet, stieg im September erneut leicht von 107,6 auf 107,7 Punkte. „Die deutsche Wirtschaft ist mit Zuversicht in den Herbst gestartet“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Sein Institut ermittelt den wichtigsten deutschen Wirtschaftsindex per Umfrage unter 7000 Unternehmen. Es war der fünfte Anstieg in Folge, nun ist der Index auf dem höchsten Stand seit eineinhalb Jahren.
Während die Firmen etwas weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Lage waren, rechnen sie mit einer günstigeren Entwicklung in den kommenden Monaten. Die neue Bundesregierung, wahrscheinlich unter der Führung von Angela Merkel (CDU), kann also zum Start auf Rückenwind von der Konjunktur hoffen.
Für Alexander Koch von der Hypo-Vereinsbank belegen die Ifo-Zahlen, dass es der Industrie wieder besser geht. Dies sei eine Folge der sich stabilisierenden Nachfrage aus aller Welt. Dies werde zu einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum im dritten Quartal von 0,5 Prozent führen, erklärte er – das wäre etwas weniger als die 0,7 Prozent vom zweiten Quartal.
Vor allem die Rezession in Europa hatte die Industriefirmen getroffen. „Europa als Deutschlands wichtigster Exportmarkt ist nach einer sehr langen Durststrecke endlich auf dem Weg der Stabilisierung“, sagte der Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW, Jörg Zeuner. „Davon profitiert Deutschland.“ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa rechnet von nun an mit einer steten Aufwärtsentwicklung, auch wegen der über Jahre immer wieder aufgeschobenen Investitionen der deutschen Unternehmen.
Für das deutsche Handwerk kommt die Erholung allerdings zu spät – es setzt angesichts eines schwachen ersten Halbjahres ein Fragezeichen hinter die Prognose für 2013. „Um 2013 noch die erwartete schwarze Null zu erreichen, ist im zweiten Halbjahr ein anhaltender kräftiger Aufschwung erforderlich“, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Der Umsatz war in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent zurückgegangen. Vor allem das Kraftfahrzeug-Gewerbe hatte sich schwach entwickelt. mit dpa

Schlömer: "Nicht im Zorn gehen"

Er kam zur Hochphase der Piratenpartei ins Amt. Nun hört er auf. Piratenchef Bernd Schlömer tritt zurück aber er hat noch eine Empfehlung für seine Partei.

Berlin - Eines wollte Bernd Schlömer auf keinen Fall – so enden wie der Grüne Jürgen Trittin. „So ein Shitstorm, wie ihn Trittin erleben musste, hat es sogar bei den Piraten selten gegeben“, sagte Schlömer dem Tagesspiegel. Und da der Vorsitzende der Piratenpartei zuletzt erlebt hat, das für ihn der parteiinterne Druck auch zunahm, hat er lieber gehandelt und seinen Rücktritt angekündigt. „Tschüss #Piraten! Das war es für mich. Ich ziehe mich zurück“, twitterte er.
Seine Ankündigung wurde im Netz mit Lob und Respekt begleitet. „Ich gehe nicht im Zorn“, sagte Schlömer. Der 42-Jährige wurde im April 2012 an die Spitze der Partei gewählt.

Damals war die Piratenwelt noch in Ordnung. Doch interne Streitigkeiten, die sich über Monate hinzogen, haben die Partei in eine Krise gestürzt. Den Einzug in den Bundestag haben sie klar verfehlt. Schlömer sieht auf die Partei nun verschiedene Szenarien zukommen. Der Profilierungsdruck werde steigen, die Partei werde sich regionalisieren und es werde Abwanderungen geben. Er selbst empfiehlt den Piraten, stärker aufs Personal zu setzen. „Wir brauchen prominentere Köpfe, die auch Freiräume haben“, sagte Schlömer.
Bis zum nächsten Parteitag Ende November bleibt Schlömer im Amt. Wer ihm nachfolgt, ist noch unklar. Es ist zu erwarten, dass sich ein Kandidat aus einer der Piraten-Landtagsfraktionen herauskristallisieren wird. Schlömer selbst will erst mal Parteimitglied bleiben, aber mindestens ein Jahr kein Amt annehmen. „Ich habe bei den Piraten den kompletten Zyklus einer Partei mitgemacht.“ Christian Tretbar

Musical Stühle in Gemüse

Erzwungener Generationswechsel: Die Politiker, die vor 30 Jahren die Grünen gründeten, sitzen künftig nur noch auf den hinteren Plätzen. Sie übernehmen die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis. Die Jüngeren wittern ihre Chance.

Er kapituliert. Nur wenige kurze Sätze sind es, die Jürgen Trittin um 16 Uhr den wartenden Reportern zu Protokoll gibt. Die Sache sei ganz einfach, sagt der Grünen-Politiker. Für den Wahlkampf 2017 brauche die Partei eine neue Fraktionsführung. „Das muss eine neue Generation, das müssen neue Kräfte tun.“ Ein kurzer Dank noch. Dann setzt Trittin sein maliziöses Lächeln auf, das es einem so schwer macht zu sehen, wie es ihm wirklich geht. Der 59-Jährige dreht sich um und verschwindet wieder im Protokollsaal des Reichstags.

Dort treffen sich seit dem Mittag die alten und die neuen Abgeordneten, es ist die erste Zusammenkunft nach der Wahl. „Willkommen in Berlin“ steht auf dem grünen Plakat vorne im Saal, jemand hat Vasen mit Sonnenblumen aufgestellt.
Alle haben darauf gewartet, dass er sich endlich erklärt. Aber Trittin hat sie erst noch schmoren lassen. Zieht er die Konsequenzen aus der krachenden Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl – oder meint er wirklich, den Sturm aussitzen zu können? Die Sitzung läuft gerade eine Dreiviertelstunde, da gibt Trittin seinen Rückzug bekannt. Erst den Abgeordneten, wenig später auch über den Nachrichtendienst Twitter.

Wie kein anderer bei den Grünen steht der Niedersachse für den Wahlkampf, mit dem die Partei so heftig abgestürzt ist: Die Steuerpläne gehen auf sein Konto. Viele kreiden ihm an, dass er dabei das Kernthema der Grünen, die Energiewende, vernachlässigt habe. Trittin setzte außerdem durch, dass sich die Partei allein auf die SPD als Koalitionspartner festlegten – eine Abkehr vom Kurs der „Eigenständigkeit“, der auch eine stärkere Offenheit gegenüber anderen Parteien bedeutet hätte.

Claudia Roth begreift es als erste - und tritt zurück

Es ist ein Rückzug in allerletzter Minute. Er wird Trittin, den vor zwei Jahren schon viele als den künftigen Vizekanzler sahen, nicht leicht gefallen sein. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Die Welle, die offenbar die gesamte alte Führungsriege der Grünen erwischt hat, hätte am Ende auch ihn weggespült.
Claudia Roth ist die Erste, die es begriffen hat. Da die Grünen so eindeutig ihre Wahlziele verfehlten hätten, aus gesellschaftlichen Mehrheiten für den Mindestlohn und gegen das Betreuungsgeld keine politischen Mehrheiten hätten machen können, „dann muss auch was bei mir nicht so gut gelaufen sein“, erklärt Roth dem ARD-Morgenmagazin. „Ich trete nicht mehr an“, erklärt die 58-Jährige gefasst. Elfeinhalb Jahre hat die Bayerin, die auf Parteitagen schon viele Tränen vergossen hat, die Grünen geführt. Jetzt will sie Platz machen für die nächste Generation.
Wenig später folgt Renate Künast. „Ein jegliches hat seine Zeit“, sagt die 57- Jährige, als sie die Sitzung im Reichstag für ein paar Minuten verlässt. „Und jetzt ist die Zeit für eine neue personelle Aufstellung.“ Künast hatte sich schon seit längerem mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass sie nach der Bundestagswahl nicht mehr der ersten Reihe angehören würde. Als die Grünen-Basis im Winter 2012 ihre Spitzenkandidaten in einer Urabstimmung wählte, unterlag Künast ebenso gegen die 47-jährige Katrin Göring-Eckardt aus Thüringen.
Wie hart die Grünen von ihrem verfehlten Wahlkampf gebeutelt wurden, hat Künast selber in ihrem Wahlkreis 81 erfahren, in Tempelhof-Schöneberg. Auch hier im Bezirk, im grünen Kerngebiet zwischen Winterfeldt-Markt und der alternativen Ufa-Fabrik, hatten selbst die Stammwähler ihre Partei nicht mehr verstanden. Nichts blieb im Wahlkreis übrig vom erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen um ein Direktmandat. Stattdessen rutschte Künast auf den dritten Platz ab, mit nur 15 Prozent der Zweitstimmen und mit noch stärkeren Verlusten, als ihre Partei im Bundesdurchschnitt einfuhr.

Der grüne Wahlkampf hat viele Wähler irritiert

Überraschend kam das nicht, die Entfremdung hat sich aufgebaut in den vergangenen Wochen, als Künast auf den Straßen unterwegs war und ihr Unverständnis entgegenschlug für das von Trittin propagierte Steuermodell. Die Zweifel daran hat sie sich nicht anmerken lassen. Im Gegenteil. „Ich freue mich, dass wir Grünen es sind, die seit Wochen die Debatte über Steuergerechtigkeit bestimmen“, hat sie noch im Spätsommer betont.
Ihr schlechtes Ergebnis im Wahlkreis 77 ist deshalb auch eine persönliche Niederlage. Selbst bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2011, als Künast noch erfolglos als Spitzenkandidatin um das Amt des Regierenden Bürgermeisters gekämpft hatte, waren es acht Prozent mehr.

Auch damals hatte ihre Partei im sicheren Gefühl eines Triumphes einen Wahlkampf geführt, der mit Ungeschick, überzogenen Forderungen und nicht verhandelbaren Position wie der abgelehnten Verlängerung der Berliner Stadtautobahn die Wähler nachhaltig irritierte. Nur mit Mühe behauptete Künast nach der Niederlage in Berlin ihren Fraktionsvorsitz im Bundestag.
Und nun wieder eine Niederlage, noch schlimmer. Weil es eine Niederlage jener Generation ist, die die Grünen seit ihrer Gründung begleitet haben, sie dominiert haben – vom Start als Antiparteien-Partei, als man selbst der vom Wähler zugestandenen vollen Wahlperiode misstraute und die Abgeordneten nach zwei Jahren rotieren ließ. Lange vergessen.
Zwei Tage hat es gedauert, bis auch Renate Künast die Konsequenzen gezogen hat und vom Amt der Fraktionsvorsitzenden zurückgetreten ist, das sie seit 2005 innehatte. Intern gab sie ihre Rückzugsentscheidung am Montagabend bei einem Treffen des Reformerflügels bekannt. Sie betonte, sie habe diesen Schritt schon seit längerem geplant. Es gehe ihr um „Verjüngung und Erneuerung“.
Nicht das Ende, immerhin will sie sich nun als Vize-Präsidentin des Bundestags bewerben, ebenso wie Claudia Roth übrigens. Aber doch eine Zäsur auf dem weiten Weg von jener chaotischen Gründungsversammlung der früheren Alternativen Liste in der längst abgerissenen „Neuen Welt“, den die ehemalige Sozialarbeiterin und Anwältin mitgegangen ist.
Die Frau mit flottem Mundwerk und Schlagfertigkeit wurde 1989 als Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus die Gegenspielerin des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper in der kurzlebigen rot-grünen-Koalition. Die nach dem Ende der rot-grünen Koalition im Bund, bei der sie sich als Bundesministerin für Verbraucher und Landwirtschaft eine gute Figur machte und sich unerschrocken mit der Agrarlobby anlegte, den Fraktionsvorsitz übernahm.
„Wir werden das aufarbeiten ...“, heißt der letzte Satz auf Renate-kuenast.de, nach dem knappen Dank an Wähler, an die engagierten Helfer und dem Eingeständnis, die Ablösung von Schwarz-Gelb nicht erreicht zu haben. Wer auf den Button „weiterlesen“ drückt – findet: nichts weiteres. Nur eine weiße Fläche. Als hätte die Leere und der Frust, die nach dieser desaströsen Wahl überall fühlbar sind bei den Grünen, hier in einer Sprachlosigkeit ihren Ausdruck gefunden. Auch in der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, die künftig kleiner sein wird und nun seit gestern auch keine Vorsitzenden mehr hat.

Zwei aus der mittleren Generation kämpfen: Özdemir und Göring-Eckardt

Der Rückzug von Trittin, Roth und Künast bedeutet eine Zäsur für die Partei, er läutet den Generationswechsel ein. Diejenigen, die mit Joschka Fischer vor mehr als 30 Jahren die Grünen gegründet haben, werden künftig im Bundestag nur noch auf den hinteren Plätzen sitzen.
Es sind nicht zufällig zwei aus der mittleren Generation, die trotz des schlechten Wahlergebnisses um ihre künftige Führungsrolle kämpfen wollen: Parteichef Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. Der Schwabe Özdemir will wieder Parteichef werden. Zwar hat auch er sein Ziel nicht erreicht, in Stuttgart ein Direktmandat zu erringen. Doch der Realo kann darauf verweisen, dass er für eine stärker Öffnung der Grünen steht. Zu Bonner Regierungszeiten gehörte er zur Pizza-Connection, einem losen Zusammenschluss von CDU- und Grünen-Politikern, die beim Italiener Gemeinsamkeiten ausloteten. Gegen ihn regt sich bisher kein nennenswerter Widerstand.
Anders ist es bei Göring-Eckardt. Selbstbewusst steht sie vor dem Protokollsaal im Reichstag, nachdem sie intern bereits ihre Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz angemeldet hat. Warum Trittin die Verantwortung übernehme und sie den Fraktionsvorsitz, wird die Thüringerin gefragt. „Er will der Neuaufstellung nicht im Weg stehen, ich will die Neuaufstellung gestalten“, entgegnet Göring-Eckardt. Sie versucht, Zuversicht auszustrahlen. „Wir werden uns wieder herausarbeiten aus einem Loch“, sagt sie. Es klingt, als ob sie sich auch selbst Mut zusprechen will. Sie weiß, dass ihre Kandidatur nicht unumstritten ist. Von der wertkonservativen Bürgerrechtlerin hatten sich viele erhofft, dass sie bürgerliche Wähler gewinnen könne. Doch die Thüringerin setzte auf soziale Gerechtigkeit, predigte „Herz-Jesu-Sozialismus“, wie Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer lästert.

Jetzt, am Tag zwei nach der Wahl, sagt sie, die Grünen müssten „Anschluss gewinnen an die Mitte der Gesellschaft“. Es klingt wie die Stellenbeschreibung, die sie als Spitzenkandidatin nicht erfüllt hat. Ob sie damit durchkommen wird, hängt vor allem von Kerstin Andreae ab. Die 44-jährige Bundestagsabgeordnete aus Freiburg erwägt eine Gegenkandidatur. Die studierte Volkswirtin hat sich als Wirtschaftsexpertin einen Namen gemacht, sie tritt für einen „Brückenschlag zur Wirtschaft“ ein, so wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der viel von ihr hält.
Weniger umstritten dürfte Trittins Nachfolge sein. Der 44-jährige Toni Hofreiter, ein Parteilinker, kündigte seine Kandidatur an. Trittins Unterstützung wird der promovierte Biologe haben. Gleich zu Beginn der Fraktionssitzung stellt Trittin sich demonstrativ neben ihm, legt ihm die Hand auf die Schulter. So als ob er ihm signalisieren wolle: Das wird schon.

Wednesday, September 18, 2013

Das Interesse in der Flaute


Kombiprodukte bieten Sparern höhere Zinsen – und die Chancen und Risiken der Fondsanlage. Wer sich vergreift, macht unterm Strich Verlust.

Das Beste aus zwei Welten“ versprechen die Banken. Weil mit normalen Sparprodukten derzeit nirgends mehr als 1,6 Prozent, im Schnitt sogar nur 0,75 Prozent zu erzielen sind, locken Kreditinstitute mit Kombiprodukten. Dem Anleger werden höhere Zinsen versprochen – indem er Festgeld mit Fonds kombiniert oder Festgeld mit flexiblem Tagesgeld. Bis zu vier Prozent kann bekommen, wer sich in ein Zwitterprodukt wagt und dabei ein höheres Risiko nicht scheut. Verbraucherschützer sind skeptisch.

KONTO PLUS FONDS
„fest & fonds“ heißt das Produkt von Comdirect, der Online-Tochter der Commerzbank: Sechs Monate lang werden vier Prozent angeboten, wenn der Kunde die Hälfte des Anlagebetrages in einen von zehn Fonds steckt.
„Damit Ihr Geld nicht rostet, wenn es rastet“ lockt die Direkt Anlage Bank und verspricht Tagesgeldzinsen von 3,5 Prozent, ebenfalls für ein halbes Jahr. Allerdings muss der Kunde dafür ein bestehendes Depot von der Konkurrenz komplett zur DAB-Bank rüberziehen. Eröffnet er nur ein neues Depot mit mindestens 5000 Euro in beliebigen Wertpapieren, bekommt er immerhin 2,5 Prozent. Ähnlich ist es bei Cortal Consors, der Online-Tochter der französischen Großbank BNP Paribas: Wer komplett mit einem Depot umzieht, erhält als Dankeschön drei Prozent Zinsen auf Summen bis 20 000 Euro – für ein Jahr.
Am großzügigsten ist die Volkswagen-Bank – allerdings nur auf den ersten Blick. Die Bank verspricht mit ihrem „starken Doppel“ zwar satte 3,5 Prozent für zwölf Monate. Dafür muss der Kunde jedoch nicht nur mindestens 5000 Euro in Fonds investieren, sondern auch eine Depotgebühr von 23,40 Euro pro Jahr zahlen. Will er sich die Kosten sparen, muss er an jedem Monatsende Papiere mit einem Wert von mindestens 10 000 Euro im Depot haben, häufiger handeln oder ein Girokonto bei Volkswagen eröffnen.
Hinzu kommt: Bei allen Kombi-Anbietern zahlt der Kunde einen Ausgabeaufschlag auf die Fonds, also eine Verkaufsgebühr, die als Provision an die Bank geht. Meist liegt sie bei 2,5 Prozent der angelegten Summe. Zwar ist der Ausgabeaufschlag im Vergleich zum Angebot normaler Filialbanken reduziert, doch muss er erst an der Börse erwirtschaftet werden, bevor eine Rendite entstehen kann.
Ein Rechenbeispiel: Wer bei der VW- Bank 10 000 Euro in „Kombi Invest“ steckt, erhält auf 5000 Euro für zwölf Monate 175 Euro. Für die restlichen 5000 Euro muss er Fonds kaufen, bei denen er 125 Euro Provision zahlt, also zunächst nur 4875 Euro anlegt. Bei der Comdirect wirft der Zinsköder binnen eines Jahres (also mit einer Rendite von vier Prozent auf sechs Monate und von 0,75 Prozent für die zweite Hälfte) nach Berechnungen der Bank am Ende 118 Euro ab. Für den gleichzeitig gekauften Fonds zahlt er jedoch 125 Euro Gebühren, die die Zinsen also komplett auffressen.
Ein Nullsummenspiel war das Investment gerade im zurückliegenden Jahr dennoch nicht. Hat sich ein Anleger zum Beispiel für ein Investment in deutsche Aktien entschieden und beim Comdirect- Zwitterprodukt den DWS Deutschland aus dem Konzern der Deutschen Bank gewählt, so kam zu dem Zinsgewinn ein Kursgewinn von knapp 24 Prozent hinzu. Vor Steuern hatte er also 118 Euro Zinsgutschrift plus 1160 Euro Kursgewinn auf dem Konto, nach Abzug des Ausgabeaufschlags. Pech hätte der Kunde jedoch gehabt, wenn er den Carmignac Patrimoine mit einem nur sehr geringen Plus oder gar den Pictet Global Emerging Debt gewählt hätte, der seit September 2012 gut sieben Prozent im Minus liegt.

MEHR ZINS, WENIGER AUSWAHL
Verbraucherschützer kritisieren: Festgeld-Anleger würden beim Schielen auf einen attraktiven Zins in ein riskanteres Aktienprodukt getrieben, mahnt Nils Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Wahlmöglichkeit sei dabei oft klein. Comdirect-Sprecherin Christiane Krämer hingegen sieht die Kombi-Produkte als „faires Angebot, von dem Anleger insbesondere in der Zinsflaute profitieren können“. Es sei niemandem zu empfehlen, unüberlegt in Anleihen oder Aktien zu investieren. Klar sein müsse, dass das Produkt dem Kunden „auf der Fondsseite zwar höhere Risiken bringe als beispielsweise ein Tagesgeldkonto, aber eben auch bessere Chancen“. Da vielen Kunden die Wahl unter Tausenden Fonds schwer falle, habe man „eine Vorauswahl“ von zehn Produkten für konservativ bis spekulativ orientierte Kunden getroffen. Alle Papiere seien von der Fondsratingagentur Morningstar mit Auszeichnungen versehen.
Fazit: Im positiven Fall – bei steigenden Aktien- oder Anleihe-Märkten oder einem guten Händchen des Fondsmanagers – wird der Gewinn der Kombi-Produkte ein risikoarmes Investment auf einem Geldkonto toppen. Bei fallenden Märkten hingegen muss der Anleger Verluste verkraften können. Auch Kombi-Produkte können folglich die Gesetze der Geldanlage nicht aushebeln: Einen höheren Zins gibt es nur um den Preis eines höheren Risikos.
Wer nicht an den Aktienmärkten anlegen möchte, kann – mit niedrigerem Risiko und Zins – eine Variante wählen, die Fest- und Tagesgeld kombiniert: So bietet die VTB Direkt, Tochter einer russischer Großbank, zwei Prozent Zins, wenn der Anleger zwischen 500 Euro und zehn Millionen Euro 36 Monate lang fest anlegt. Dabei kann er über 20 Prozent des Geldes – ohne Zinsverlust – wie beim Tagesgeld verfügen. Der Nachteil: Beim „VTB duo“ sind 80 Prozent des Geldes eben ziemlich lange fest gebunden, und dies in Zeiten, in denen eine Zinswende greifbar sein könnte.
Die Zinsen steigen auch schon, allerdings nur bei Baugeld und sehr langfristigen Anlagen. Zwei- bis zehnjährige Sparbriefe werfen inzwischen wieder mehr ab: Mehrere Autobanken und Sparkassen haben die Sätze zuletzt erhöht. Wer allerdings 2,8 bis knapp über drei Prozent einfahren will, muss sein Geld immer noch auf zehn Jahre fest anlegen.

Federal Reserve die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten nicht die Zügel



Ein Kurswechsel bleibt vorerst aus: Die US-Notenbank wird auch weiterhin ihre milliardenschweren Anleihekäufe fortsetzen.

Gelassen hatten sich die Aktienmärkte am Mittwoch schon auf eine straffere Geldpolitik der US-Notenbank eingestellt. Der Deutsche Aktienindex (Dax) war zeitweise sogar auf einen neuen Rekordstand von 8645 Punkten gestiegen. Bis Börsenschluss war ihm ein Plus von 0,3 Prozent erhalten geblieben. Am Abend dann kam auch noch die Entwarnung aus Washington: US-Notenbankchef Ben Bernanke verkündete, es werde noch keine Abkehr vom Kurs des aufgedrehten Geldhahns geben, eine Zinswende steht aktuell nicht bevor. Der Aktienmarkt in New Yorker reagierte mit deutlichen Kursgewinnen, der Dow-Jones stieg vorübergehend auf ein Rekordhoch. Der Dollar gab gegenüber dem Euro deutlich nach und kostete zeitweise 1,347 Euro.

Der Notenbank-Chef verwies auf den bevorstehenden politischen Showdown


Pünktlich um 14 Uhr Ortszeit trat Fed-Chef Bernanke am Mittwoch vor die Presse und sprach die entscheidenden Worte: „Kein Wechsel“ in der aktuellen Geldpolitik. Die Notenbank habe jeglichen Rückzug von der Kampagne zur Stimulierung des wirtschaftlichen Aufschwungs vertagt und werde damit fortfahren, monatlich US-Staatsanleihen und Immobilienpapiere im Wert von 85 Milliarden Dollar aufzukaufen. Noch seien die Indikatoren für die Stabilisierung der Wirtschaft nicht eindeutig genug, zudem bleibe die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Wert. „Wir warten auf weitere Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung“, begründete Bernanke den überraschenden Beschluss. zwischen dem republikanisch dominierten US-Repräsentantenhaus und der Regierung von Präsident Barack Obama über die weitere Finanzierung des US-Staatshaushalts und sagte, die derzeitige Finanzpolitik bedrohe den wirtschaftlichen Aufschwung.
Weltweit war ein bereits unter dem Stichwort „Tapering“ (Verjüngung) angekündigter sanfter Rückzug von der Politik der Geldschwemme erwartet worden. Auf ein Absenken der Notenbank-Ankäufe um zwischen fünf und 20 Milliarden Dollar hatten Experten getippt. Diesen Rückzug stellte Bernanke nun für Ende des Jahres oder Anfang 2014 in Aussicht.
Der Leitzins bleibt, wie von Ökonomen erwartet, auf dem historischen Niedrigstand zwischen 0 und 0,25 Prozent. Auf diesem Rekordtief liegt er seit Ende 2008, als die schwere Finanzkrise begann. Der faktische Nullzins sei angemessen, solange die US-Arbeitslosenquote höher sei als 6,5 Prozent, heißt es in einer Mitteilung, die die Notenbank am Mittwoch herausgab. Derzeit liegt die Quote bei 7,3 Prozent. Die Zinspolitik wurde Ende 2012 an die Arbeitslosenquote gekoppelt.

Fed senkte ihren Wirtschaftsausblick

Zugleich senkte die Fed ihren Wirtschaftsausblick: Für dieses Jahr rechnet die Notenbank nur noch mit einem Wachstum zwischen 2,0 und 2,3 Prozent. Vor drei Monaten war sie noch von 2,3 bis 2,6 Prozent ausgegangen. Auch für 2014 und 2015 korrigierte sie ihre Aussichten ein wenig nach unten. Erstmals legte die Fed eine Wachstumsschätzung für 2016 vor. Diese liegt bei 2,5 bis 3,3 Prozent. Bei der Vorhersage für die Arbeitslosenquote machte die Fed nur geringe Änderungen. In diesem Jahr soll sie bei 7,1 bis 7,3 Prozent liegen und im kommenden Jahr zwischen 6,4 und 6,8 Prozent. Für 2015 rechnen die Notenbanker mit einer Quote zwischen 5,9 und 6,2 Prozent. 2016 soll sie dann auf 5,4 bis 5,9 Prozent sinken. Die Inflation werde fast die gesamte Zeit unter dem Ziel der Fed von 2,0 Prozent bleiben.
Die monatlichen Käufe der Notenbank von 85 Milliarden Dollar entsprechen in etwa dem monatlichen US-Haushaltsdefizit. Sie sind Teil des dritten im September 2012 aufgelegten Anleiheprogramms, das als Quantitative Easing (QE) – Quantitative Lockerung – bezeichnet wird. Zunächst wollte die Fed nur für 40 Milliarden Euro kaufen, im Dezember wurde das Volumen dann aber auf 85 Milliarden Euro erhöht. Das erste Anleiheprogramm hatte sie im März 2009 gestartet, das zweite im November 2010, das derzeit laufende dritte im September 2012. Rund 3,4 Billionen Dollar hat die Notenbank so bislang bereits in die Wirtschaft gepumpt. Weitere 425 Milliarden Dollar könnten nach Ansicht der Commerzbank bis Sommer 2014 noch dazukommen.
(mit dpa)

Hin und her: Bouffier enge Allianz mit dem Französisch Development Agency aber



Mit der Aussage "er schließe grundsätzlich nichts aus" zu der Frage über eine mögliche Koalition mit der AfD, sorgte Ministerpräsident Volker Bouffier für einige Verwirrung. Einige fordern ihn nun auf, eine Haltung gegenüber der eurokritischen AfD zu einzunehmen.

Die hessische CDU will nicht mit der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) koalieren. „Es gibt keine Koalition mit der AfD“, twitterte CDU-Sprecher Christoph Weirich am Mittwochnachmittag. Die Frage stelle sich nicht für den Landesverband. Kurz zuvor hatte Parteichef und Ministerpräsident Volker Bouffier allerdings vor Journalisten noch erklärt, er schließe grundsätzlich nichts aus. Er kenne zwar die Kandidaten der AfD in Hessen nicht, halte das Programm aber für verfassungskonform. Er glaube jedoch nicht, dass die AfD kommenden Sonntag in den hessischen Landtag gewählt werde.

Die AfD hat für die Landtagswahl kein Programm geschrieben, sondern lediglich Leitlinien verabschiedet.
Grünen-Bundeschef Cem Özdemir forderte die CDU auf, ihre Haltung zur eurokritischen AfD zu klären. Die CDU müsse sich dazu äußern, wie sie mit der rechtspopulistischen Partei umgehen wolle. „Die Wähler müssen das vor der Bundestagswahl wissen“, sagte Özdemir am Mittwoch.

Auch bei der SPD in Hessen stieß Bouffiers Äußerung auf Kritik. Der Wiesbadener Regierungschef scheine bereit zu sein, die AfD als letzten Rettungsanker für den Machterhalt zu nutzen, wenn es die Umstände erforderten, sagte Generalsekretär Michael Roth. Umfragen sagen für die Landtagswahl, die an diesem Sonntag parallel zur Bundestagswahl stattfindet, ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Schwarz-Gelb und Rot-Grün voraus.

Saturday, September 14, 2013

Tweet des Aktienmarktes


Der Kurznachrichtendienst Twitter bereitet sich für den Kapitalmarkt vor – die Erwartungen sind groß. Der vorübergehende Absturz von Facebook macht das US-Unternehmen vorsichtig.

Berlin - „Jesus ist die Sonne und Maria die Morgendämmerung, die seine Auferstehung verkündet.“ – Papst Franziskus nutzte am Freitag den Kurznachrichtendienst Twitter, um wie jeden Tag seine Botschaft in die Welt zu senden. Genauso tun es Barack Obama, Peer Steinbrück, der Tagesspiegel und 200 Millionen andere Nutzer rund um den Erdball.
Sie alle werden künftig die Dienste eines börsennotierten Unternehmens in Anspruch nehmen: Twitter teilte am Donnerstagabend – per Tweet – mit, bei der US-Börsenaufsicht SEC einen entsprechenden Antrag eingereicht zu haben. Details des IPO (Initial Public Offering) gibt es noch nicht, aber schon eine Story: Twitter ist eine der größten und am schnellsten wachsenden Kommunikationsplattformen der Welt und damit ein Top-Börsenkandidat aus der Internetwirtschaft, der den Gang aufs Parkett wagt.
Analysten schätzen Twitters Wert auf zehn bis 15 Milliarden Dollar.
Der Zeitpunkt für einen Börsengang ist gut gewählt. Internet-Aktien sind wieder gefragt. So hat die Facebook-Aktie in dieser Woche den höchsten Stand seit dem destaströsen Börsengang im Mai 2012 erreicht. Die Social-Media-Plattform mit einer Milliarde Nutzern weltweit wird an der Börse nun mit rund 100 Milliarden Dollar bewertet – so hoch wie nie. Der Absturz der Aktie nach dem missglückten IPO ist Geschichte. Linked-In, das 2003 gegründete Internet-Karrierenetzwerk, ist ein Börsenstar: Der Wert seiner Aktien hat sich seit dem ersten Handelstag verfünffacht. Auch die eingebrochene Aktie des Ende 2011 an die Börse gegangenen Schnäppchen-Portals Groupon hat sich wieder etwas erholt.
„Investoren waren zuletzt entzückt von allem, was mit ,sozial’ und ,mobil’ zu tun hat“, schrieb die „New York Times“ am Freitag in einem Kommentar zu den Twitter-Börsenplänen. Die Finanzgemeinde sei regelrecht „verzaubert vom schnellen Wachstum der Werbeeinnahmen in den mobilen Diensten von Social- Media-Unternehmen“.
Auch Twitter kommt mit geschätzten 583 Millionen Dollar auf stattliche Einnahmen aus der Werbung – verdient aber, anders als Facebook, noch kein Geld. Analysten zufolge ist dies aber nur eine Frage der Zeit. Dieses Jahr könne der US-Konzern die Gewinnschwelle erreichen. Das Unternehmen muss noch keine Geschäftszahlen veröffentlichen, weil es bislang nicht börsennotiert ist. Auch der sogenannte Börsenprospekt bleibt zunächst unter Verschluss, bis der Termin für das IPO näher rückt. Das kann noch Monate dauern. Die am Börsengang beteiligten Banken dürften die Zeit nutzen, um zunächst die Nachfrage der Anleger nach den Twitter-Aktien auszuloten. Erst ganz am Ende werden das genaue Datum für den Börsengang sowie der Preis festgelegt. Auch ist möglich, dass Twitter das Vorhaben in letzter Sekunde abbläst. Federführende Bank ist nach Informationen von US-Medien Goldman Sachs.
Twitter wurde erst 2006 gegründet. Nach einem zögerlichen Start hat sich die Internetplattform zu einem Medium für „Breaking News“ gemausert. Nutzer können 140 Zeichen lange Nachrichten, Fotos und kurze Videos über den Nachrichtendienst absetzen. Der durchschnittliche Nutzer hat rein rechnerisch 208 Follower und verbringt jeden Monat 170 Minuten auf der Seite. Die meisten Nutzer gibt es nach Angaben der auf soziale Medien spezialisierten Seite Dashburst.com in China mit mehr als 35 Millionen. Gerade die Tweets von Popstars werden oft von mehreren Millionen Menschen verfolgt. Der kanadische Teeniestar Justin Bieber hat aktuell mehr als 44 Millionen Follower und damit die größte Anhängerschaft. Danach folgen die Sängerinnen Katy Perry und Lady Gaga. US-Präsident Barack Obama zählt momentan mehr als 36 Millionen Follower.
Die wichtigste Einnahmequelle des Unternehmens ist Werbung, eingestreut in den Nachrichtenstrom. Ein guter Teil der Einnahmen fließt mittlerweile über Twitter-Apps auf Smartphones und Tablet- Computer in die Kasse. Damit hat Twitter Facebook etwas voraus: Dessen mobiles Werbegeschäft war zum Zeitpunkt des Börsengangs 2012 praktisch gleich null – einer der Gründe für den Kursabsturz. Erst am Dienstag hatte Twitter die Online-Werbefirma Mo-Pub gekauft, die Unternehmen dabei hilft, Werbung in mobilen Apps zu schalten.
Eine Garantie für einen erfolgreichen Börsengang hat aber auch Twitter nicht. Investoren gehen vor allem bei Internetfirmen eine Wette auf nachhaltig profitable Geschäfte in der Zukunft ein. Nicht nur der Absturz von Facebook war ihnen eine Warnung. Die Aktie des Online-Spieleanbieters Zynga („Farmville“) zum Beispiel, der bei seinem Börsengang im Dezember 2011 mit sieben Milliarden Dollar bewertet wurde, hat bis heute zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt, weil Zynga die hohen Erwartungen der Börse enttäuscht hat. mit dpa, AFP

Ein Wahlkampfthema Opposition vermutet


Auch der Geheimdienst tauscht seit Jahren Informationen mit den US-Kollegen aus. Die Opposition wittert im Wahlkampf einen neuen Skandal.


Der deutsche Geheimdienst kooperiert eng mit den amerikanischen Kollegen: Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben angeblich allein im vergangenen Jahr Hunderte vertraulicher Datensätze an den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) geschickt. Im Gegenzug erhielten die Verfassungsschützer Informationen und Spionagesoftware aus den USA. Außerdem soll es regelmäßige Treffen zwischen Vertretern des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und der NSA geben, wie die „Süddeutsche Zeitung“ und der NDR unter Berufung auf ein Geheimdokument der Bundesregierung berichten. Einmal in der Woche trifft sich demnach ein NSA-Mitarbeiter mit deutschen Geheimdienstlern in einer BfV-Liegenschaft in Berlin-Treptow, um Informationen auszutauschen.

Verfassungsschutz verteidigt Datenweitergabe an NSA

SPD, Grüne und Linke verlangten am Samstag umfassende Aufklärung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sagte dem Tagesspiegel: „Es muss geklärt werden, ob der Verfassungsschutz eine rote Linie überschritten hat.“ Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth mahnte, mit jeder neuen Enthüllung über die Zusammenarbeit der NSA mit deutschen Diensten gerate das Vertrauen der Bürger in den Staat „immer weiter ins Rutschen“. Und der Innenexperte der Linksfraktion, Jan Korte, forderte die Bundesregierung auf, das „hochgradig verfassungswidrige Treiben“ umgehend zu beenden.
Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen betonte hingegen, die Weitergabe von Informationen erfolge nach Recht und Gesetz. Die Kooperation mit dem US-Geheimdienst trage „erheblich zur Verhinderung von Terroranschlägen und damit zum Schutz von Leib und Leben in Deutschland bei“, erklärte er. Das Bundestagsgremium, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig sei (das Parlamentarisches Kontrollgremium), werde über die in dem Bericht beschriebene Datenübermittlung „vollumfänglich“ informiert, sagte Maaßen weiter.

Opposition fordert, Weitergabe von Daten an NSA einzufrieren

Der SPD-Innenpolitiker Hartmann verlangte hingegen, die Datenweitergabe an den US-Geheimdienst „einzufrieren, bis die USA erklärt haben, in welchem Umfang und von wo aus sie Daten an sich genommen haben“. Er sei für eine Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden mit den Diensten der USA. „Die muss aber strengstens orientiert sein an fairen Regeln der Zusammenarbeit, nicht an einem beliebigen Informationshunger der US-Geheimdienste“, sagte Hartmann weiter. Die Behauptung von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), in der NSA-Affäre sei alles aufgeklärt, sei eine „Unverschämtheit“. Auch der Linken-Politiker Korte forderte, die Datenübermittlung an die USA zu stoppen, „solange die Bespitzelung der Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik nicht eingestellt und völlige Aufklärung über die Machenschaften der Geheimdienste geleistet wurde“.

Ende Juli hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz nach den Enthüllungen über die NSA-Spähaffäre erklärt, es teste das NSA-Datenanalyseprogramm XKeyscore, setze es aber derzeit nicht ein. XKeyscore ist nach Dokumenten, die von dem früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden veröffentlicht wurden, ein Analysewerkzeug, das die Beobachtung des Internetverkehrs in Echtzeit ermöglicht.
Grünen-Chefin Roth sagte, wenn es stimme, dass der Verfassungsschutz von Deutschland gesammelte Daten an die NSA und andere Dienste liefere und aufs Engste mit der NSA kooperiere, „dann hat Herr Maaßen gelogen“. Es sei „völlig unglaubwürdig“, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Kanzleramtsminister Pofalla davon nichts gewusst haben wollten. „Diese Bundesregierung ist für die Sicherheit der Bürger und für den Schutz ihrer Grundrechte inzwischen selbst das größte Risiko“, kritisierte Roth.

Verfassungsschutz erhielt im Gegenzug Verbindungsdaten aus den USA

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll dem Geheimdokument zufolge neben den 864 Datensätzen im vergangenen Jahr auch „regelmäßig bewertete Sachverhaltsdarstellungen“ in die USA übermittelt haben. Im Gegenzug soll der deutsche Inlandsgeheimdienst in den vergangenen vier Jahren 4700 Verbindungsdaten aus den USA erhalten haben.
In der NSA-Affäre reist in der kommenden Woche erneut eine Gruppe aus deutschen und EU-Experten nach Washington, um auf weitere Aufklärung zu drängen. Die Delegation werde am 19. und 20. September in den USA Gespräche führen, sagte ein Sprecher von Friedrich. Der Minister betonte den Angaben zufolge in einem Gespräch mit US-Justizminister Eric Holder, dass Deutschland und Europa „Klarheit“ wollten. Es seien weitere Informationen zur Aufklärung der Spähaffäre um den US- Geheimdienst NSA nötig. Holder verwies demnach darauf, dass die bereits begonnene Freigabe von Dokumenten weiter fortgesetzt werde. (mit dpa/AFP)

Ding Dong Stunde


Drei Jahre lang wurde der Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche saniert. Nun sind die Arbeiten fertig, der Turm wird enthüllt, das Glockenspiel ist wieder zu hören. Die Gemeinde feiert das am Sonntag mit einem Festgottesdienst.


Es wird ein feierlicher Moment sein. Punkt 12 Uhr, also gleich nach dem Festgottesdienst, soll das Glockenspiel im alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erstmals wieder erklingen. Knapp drei Jahre lang wurde die Turmruine aufwendig saniert, nun sind diese Arbeiten weitgehend abgeschlossen. Während der Bauzeit war der Turm mit einem riesigen Gerüst umhüllt, das wie ein Hochhaus aussah. Noch verdeckt dieses Gerüst die größeren unteren Teile des Bauwerkes, doch die von Weltkriegsbomben stark beschädigte Spitze der als Mahnmal für den Frieden erhaltenen Ruine ragt bereits daraus hervor. Der markante abgebrochene Turmhelm und die filigrane Architektur der Glockenstube sind schon sichtbar.

Nach und nach sollen nun auch die unteren Gerüstteile entfernte werden, je nachdem, wie rasch die letzten Sanierungsarbeiten im Inneren des Turmes vorankommen. Nur mit dem Gerüst am Sockel werde es noch etwas länger dauern, teilt die Gemeinde mit. Es soll erst Anfang 2014 fallen.
Die Turmruine war durch jahrzehntelang eingedrungenes Wasser stark beschädigt gewesen. Das wichtigste Ziel der Sanierungsarbeiten war deshalb, die Bausubstanz zu sichern und selbst die kleinsten Haarrisse im Mauerwerk zu schließen.
Auch das Glockenspiel im Turm wurden restauriert, so dass es nun wieder erklingen kann.

Aus neun Glocken besteht es, und es läutet zu jeder vollen Stunde eine Melodie, die Prinz Louis Ferdinand von Preußen komponiert hat. Der 1994 verstorbene Prinz machte sich einen Namen als Komponist, er vertonte auch Gedichte aus der Zeit der Romantik und komponierte den Fridericus-Rex-Gedenkmarsch. Nun wird die klingende Neun erstmals seit Herbst 2010 wieder nach seiner Melodie schlagen. Eine kleine Verschnaufpause im Alltagstrott, die besonders bei Touristen sehr beliebt ist.
Die Ur-Glocken der alten 1895 eingeweihten Kirche waren allerdings von ganz anderem Kaliber. Diese fünf Glocken wurden damals an Größe und Gewicht nur noch vom Geläut des Kölner Doms übertroffen. Ihr Dröhnen soll sogar die Wölfe im nahen Zoo zum Heulen gebracht haben. Die lang anhaltenden Wolfsrufe und das Kläffen der Köter mischten sich in den Friedensgruß der Glocken und den Jubel des Publikums, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Ein Polizeioffizier zu Pferde sei zum Zoologischen Garten gejagt, um für Ruhe zu sorgen. Hergestellt hatte man die fünf Glocken aus der Bronze von erbeuteten Geschützen aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, mehr als vierzig Jahre lang taten sie ihren Dienst, bis sie im Zweiten Weltkrieg das gleiche Schicksal ereilte: Sie wurden angesichts der Materialnot zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Als man dann in den späten 50er Jahren daran ging, die Turmruine zu sichern, wurde das nun wieder in Betrieb genommene Glockenspiel eingebaut. Die sechs Glocken des Hauptgeläutes der Gedächtniskirche hängen heute im sechseckigen Turm des von Egon Eiermann entworfenen und 1961 eingeweihten Kirchenneubaus.

Drinnen im neuen Gotteshaus und draußen auf dem Breitscheidplatz werden sich die Menschen nun am Sonntag freuen, nicht nur über die akustisch-musikalische Ergänzung der täglichen Geräuschkulisse, jener zusätzlichen Fäden im Klangteppich, sondern vor allem, dass es den alten Turm bald wieder komplett zu bestaunen und vor allem zu fotografieren gibt, den man so lange gegen ein steriles Baugehäuse eingetauscht sah. Jauchzen und frohlocken wir also – und wünschen wir uns, dass die Sanierung diesmal länger vorhält als voriges Mal.

Monday, September 9, 2013

Verteidigt die von Bayer Autorität bedeutet




Die Verdachtsmeldungen zu Nebenwirkungen bei dem Präparat Xarelto nehmen zu. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sieht dennoch kein höheres Risiko.

Berlin - Die Arzneimittelbehörde Bfarm hat am Montag versucht, Bedenken im Hinblick auf das Bayer-Präparat Xarelto zu zerstreuen. „Wir sehen keine neuen Gefahren und keinen Anlass für eine neue Risikobewertung“, sagte eine Sprecherin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm), das für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland zuständig ist. Der „Spiegel“ hatte über eine Zunahme der Verdachtsfälle von unerwünschten Nebenwirkungen sowie Todesfällen im Zusammenhang mit dem Bayer-Gerinnungshemmer berichtet. Ein Sprecher des Konzerns erklärte, das Sicherheitsprofil von Xarelto im klinischen Alltag entspreche Daten aus den Medikamententests.

Man beobachte die Meldungen zu dem 2011 für die Schlaganfall-Prophylaxe zugelassenen Präparat aufmerksam, erklärte das Bfarm. „Generell liegen die Verdachtsmeldungen bei neu zugelassenen Mitteln zunächst höher“, sagte die Sprecherin. Die Meldungen werden abgegeben, wenn ein Arzt meint, dass eine Nebenwirkung oder ein Todesfall in Zusammenhang mit der Einnahme eines Mittels stehen könnte – ein Beweis ist das aber nicht. 2012 waren beim Bfarm 750 Nebenwirkungsmeldungen zu Xarelto eingegangen, darunter 58 Todesfälle. 2013 waren es bis Ende August fast 970, darunter 72 Todesfälle. Allerdings waren die Verordnungszahlen dem Magazin zufolge massiv in die Höhe geschnellt. Wurden 2011 noch 700 000 Tagesdosen Xarelto verordnet, waren es 2012 bereits 25,5 Millionen.
Der Bayer-Aktie taten die Berichte nicht gut, sie gab nach. Denn Xarelto gilt als der wichtigste Umsatztreiber der in Berlin ansässigen Pharmasparte, der Konzern traut dem Mittel Spitzenerlöse von zwei Milliarden Euro im Jahr zu. Analysten der DZ-Bank zufolge soll Xarelto bereits 2013 in Europa 800 Millionen Euro in die Kassen des Konzerns spülen.
Experten sehen derzeit keine Gefahr für Bayer. „Der Konzern ist heute deutlich besser aufgestellt als etwa zu Zeiten des Lipobay-Skandals“, sagt LBBW-Analyst Ulle Wörner. Damals hätten die Rückstellungen von rund einer Milliarde Euro für die Prozesse um den Cholesterinsenker fast den Untergang der Pharmasparte eingeläutet. Heute gebe es neben Xarelto weitere neue und erfolgversprechende Mittel wie Stivarga gegen Krebs oder das Augenmittel Eylea, erklärt Wörner. „Anders als bei Lipobay droht zudem bei Xarelto derzeit nicht, dass das Mittel vom Markt genommen werden muss“. Jahel Mielke

Unterstützung für freie Schulen



Grüne und Piraten kritisieren die geplanten Kürzungen bei Neugründungen von nicht staatlichen Schulen. Kleine Initiativen in sozialen Brennpunkten stünden ohne die Gelder vor dem Aus.

Das Vorhaben der SPD-geführten Bildungsverwaltung, die Gründung freier Schulen zu erschweren, stößt nicht nur beim Koalitionspartner CDU auf Gegenwehr. Es sei eine „Ohrfeige in das Gesicht der freien Träger“, dass eine derartige Gesetzesänderung ohne Einbeziehung der Gremien in den Senat komme, sagte Bildungspolitiker Özcan Mutlu (Grüne) dem Tagesspiegel. Die Schulen machten „gute Arbeit“. Sie jetzt derart zu benachteiligen sei ein Skandal. Die grüne Fraktionschefin Ramona Pop befürchtet zudem, dass die soziale Entmischung verstärkt wird, wenn die Schulen keine Anschubfinanzierung mehr erhalten, da als Folge die Elternbeiträge steigen müssten.

Die Piraten gehen noch weiter. Sie fordern eine 100-Prozent-Finanzierung der freien Schulen von Anfang an. Ein entsprechender Gesetzesantrag seiner Fraktion sei bereits in Arbeit, berichtet der bildungspolitische Sprecher Martin Delius. „Die Stadt profitiert doch von der Vielfalt der freien Schulen. Deshalb muss genau das Gegenteil von dem passieren, was die Bildungsverwaltung gerade plant“, so Delius. Wie berichtet, will Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Regelung abschaffen, wonach neue Schulen von Anfang an Geld erhalten, falls sie sich unter das Dach eines bewährten Trägers begeben. An diesem Dienstag wird sich der Senat mit dem Thema beschäftigen.
Unterdessen mehren sich die Sorgen von kleinen Schulinitiativen, die von der bisherigen Regelung profitieren wollten. In Wedding etwa wollen zum nächsten Schuljahr eigentlich zwei private Sekundarschulen eröffnen, die das Ziel haben, Jugendliche aus schwierigem sozialen Umfeld zum Schulabschluss und frühzeitiger Berufsorientierung zu führen. Die neuen Schulen wollen ganz oder großteils ohne Elterngeld auskommen und setzen stattdessen auf Sponsoren und die Zusammenarbeit mit anerkannten Trägern. Doch das Projekt könne nur mit den bisherigen Landesmitteln funktionieren, sagte die Koordinatorin der „Freien Bürgerschule Wedding“. Ein Schuljahr koste rund 600 000 Euro. sve/svo

Meinungsseite

Ausfall von hausgemachten rot und grün



Vor einem Jahr waren SPD und Grüne angetreten, gemeinsam die schwarz-gelbe Bundesregierung abzulösen. Doch schon 14 Tage vor der Wahl muss das Vorhaben als gescheitert gelten. Die beiden Parteien sind selber schuld.

Noch hängen die Plakate, noch kämpfen die Parteien um jede Stimme, der Wahlkampfschlussspurt hat begonnen. Doch auch wenn viele Wähler noch unentschlossen sind, ist zwei Wochen vor der Wahl eine wichtige Vorentscheidung schon gefallen. Eine rot-grüne Bundesregierung wird es – wenn nicht noch ein politisches Wunder passiert – die kommenden vier Jahre nicht geben. Stattdessen werden sich die Deutschen daran gewöhnen müssen, dass nicht nur Angela Merkel Kanzlerin bleibt, sondern dass CDU, CSU und FDP auch zukünftig das Land regieren. Und wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, dann steht die SPD für eine Große Koalition und für vier weitere Merkel-Jahre bereit.
Dass es zwischen Regierung und Opposition am 22. September dennoch ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben könnte, liegt an Angela Merkel, die plötzlich Fehler macht. Es liegt an der Unruhe an der CDU-Basis, sowie daran, dass niemand einschätzen kann, wie die eurokritische Partei AfD abschneidet. Und es liegt an der wiedererstarkten Linken. An der SPD und vor allem an den Grünen liegt es nicht.

Deutsche wollen Merkel, egal mit wem

Vor einem Jahr schien ein solches Szenario kurz vor der Wahl undenkbar. Damals lag Rot-Grün in allen Umfragen vor Schwarz-Gelb, die FDP rang um ihr politisches Überleben. Die Regierung war in der politischen Defensive; zwei Drittel der Deutschen waren Umfragen zufolge mit der Bundesregierung unzufrieden. Die rot-grüne Opposition gab sich siegesgewiss. Peer Steinbrück war bei den Deutschen beliebter als Angela Merkel. Gleichzeitig gewannen SPD und Grüne eine Landtagswahl nach der anderen. Zumindest in Ansätzen gab es unter den Wählern so etwas wie eine Wechselstimmung.
Die ist verflogen. Die große Mehrheit der Deutschen will, dass Merkel weiterregiert; ob mit der FDP oder mit der SPD, das scheint für viele Wähler irgendwie egal.
Rot-Grün hingegen ist abgestürzt, bis zu 10 Prozentpunkte liegen beide Parteien in Umfragen mittlerweile hinter Union und FDP zurück. Nur 21 Prozent der Wähler wünschen sich nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap eine rot-grüne Bundesregierung. Das Bündnis ist damit unpopulärer als Schwarz-Gelb und die Große Koalition. Auch jeder zweite SPD-Wähler plädiert für eine Große Koalition.
Rot-Grün hat den Wahlsieg also bereits verspielt, denn Wunder sind in der Politik eher selten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die SPD hat sich lange vor allem mit sich selbst und ihrem kantigen Kandidaten beschäftigt, Steinbrücks Endspurt kommt zu spät. Viel zu spät versucht der SPD-Kanzlerkandidat zudem, nicht nur mit dem Thema soziale Gerechtigkeit, sondern auch mit seiner wirtschaftspolitischen Kompetenz zu punkten.
Die Grünen haben alles dafür getan, um sich als Steuererhöhungspartei jenseits ihrer Stammklientel unbeliebt zu machen und sie haben zugelassen, dass die Jahrhundert-Herausforderung Energiewende auf die Frage der Strompreise reduziert wird. Gemeinsam haben SPD und Grüne zudem die letzten Wochen darüber gejammert, wie gemein es ist, dass Merkel ihnen alle Themen klaut, dass sie die Wähler mit ihrem Wahlkampf einlullt und gar mit Aussitzen die „Demokratie gefährdet“.

Rot-Grün ignoriert das Thema Europa

Nur haben Sozialdemokraten und Grüne zugleich wenig getan, um verunsicherte bürgerliche Wähler und enttäuschte Anhänger von CDU, CSU und FDP zu umwerben. Nicht mal in Ansätzen haben SPD und Grüne versucht, im Wahlkampf mit verteilten Rollen zu spielen, um so unterschiedliche Wählergruppen anzusprechen. Das Thema Europa, das offenbar viele Wähler umtreibt, sparen sie völlig aus.
Stattdessen wollten die Sozialdemokraten so ökologisch sein wie die Grünen. Die Grünen wollten sozialer und gerechter sein als die SPD. Nur warum beide Parteien unbedingt gemeinsam regieren wollen, das haben sie den Wählern in den letzten Monaten nicht erklären können. Als die Spitzen von SPD und Grünen in der vergangenen Woche in Berlin ihr „Signal für den Wechsel“ vorstellten, versprachen sie unter anderem gerechte Löhne, bezahlbare Wohnungen und schnelles Internet. Nur Lust auf Rot-Grün haben sie nicht gemacht. Von dem „Aufbruch“, den Peer Steinbrück sowie die grünen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin verkündeten, war nichts zu spüren.
Dann lieber weiter Merkel, sagen sich offenbar viele Wähler.
In der Wahlforschung herrscht die Überzeugung vor, dass Wähler nicht die Opposition an die Macht, sondern die Regierung abwählen. Die Opposition hat demnach erst dann eine Chance, wenn die Wähler einer Regierung überdrüssig sind. Die letzten Monate jedoch haben gezeigt, dass die Wähler nicht nur einer Regierung ihr Vertrauen entziehen können, sondern auch einer Regierung im Wartestand. Und angesichts der absehbaren Niederlage von Rot-Grün werden schon jetzt Schuldzuweisungen verteilt. Nachdem die Grünen lange mit dem Finger auf die SPD gezeigt haben, folgt jetzt die sozialdemokratische Retourkutsche. Dabei ist das rot-grüne Versagen kollektiv.